Kennt ihr diese Momente? In denen man denkt, man packt das alles nicht? In denen man verzweifelt an sich selbst und an all den Anforderungen, die man an sich selbst stellt? Gerade wir Mütter, die wir immer und überall perfekt sein wollen und am Ende des Tages doch so oft dasitzen und heulen könnten, weil die Ansprüche dann letztlich doch völlig überzogen sind. Die Tage zu kurz für all die To-Do-Listen, der Kopf nicht weit genug, um all das hineinzupressen, was wir gerne darin hätten. All die Bilder, die wir im Kopf haben, jeden Tag. Weil wir meinen, das wäre das Bild, das wir auf uns projizieren müssen.
Da ist es kein Wunder, dass wir anfangen zu zweifeln. An uns, an unserer Qualität als Eltern, an unserer Fähigkeit, denn Alltag zu meistern. Dabei sollten wir doch eigentlich lieber an all diesen Bildern im Kopf zweifeln, von denen wir meinen, so, und nur so müssten wir sein.
Und weil ich sie so gut kenne, diese Gedanken, die einen nicht nur zweifeln sondern auch verzweifeln lassen, habe ich sie hier einmal aufgeschrieben.
Am schlimmsten sind die Tränen. Ich meine nicht die Krokodilstränen, die geweint werden, weil der Brokkoli nicht schmeckt oder weil ich das iPad-Spielen untersage. Ich meine die heißen, verzweifelten Tränen, die einem als Mutter oder Vater das Herz brechen.
Es gibt Tage, da passiert genau das. Dann weinen die Kinder, wenn ich sie in der Kita abgebe. Das passiert nicht jeden Tag, aber manchmal eben doch. Und es sind diese Momente, die einem noch den ganzen Tag nachhängen. Weil man ständig daran denkt. Irgendwas hat nicht gepasst an diesem Morgen, die Nacht war vielleicht anstrengend, der Bub bekommt einen neuen Zahn, allgemeine Unlust, bei der Mama sein ist grad so schön, die stressige Aufstehen-Fertigmachen-Stunde am Morgen war noch stressiger als sonst, all das. Dann kommen Tränen, dann wird geklammert, das Händchen nach mir gereckt.
Ja, in diesen Momenten fühle ich ich wie die schlechteste Mutter der Welt. Ich weiß genau, dass die Tränen bereits versiegt sind, wenn ich zur Tür hinausgehe. Ich weiß genau, dass sie einen schönen Morgen verbringen werden. Dass sie gern dort sind. Dass es ihnen gut tut. Und trotzdem kann ich mich nicht wehren gegen den Schmerz, der sich um mein Herz klammert, gegen die Sorge und die Angst, Fehler zu machen. Gegen das Gefühl, das immer in einem nagt: Tue ich das Richtige. Damit meine Kinder glücklich sind.
Es gibt viele solcher Momente, in denen wir zweifeln. Väter genauso wie Mütter. Ich habe noch nie in meinem Leben so vieles hinterfragt. Das kann im Kleinen sein. Was gebe ich meinem Kind zu essen? Wie viel Zucker tut ihm gut. Wie viel ist zu viel. Was darf es sich im Fernsehen ansehen. Darf es überhaupt gucken? Und geht im Großen weiter. Wo wollen wir leben? Brauchen die Kinder nicht ein bisschen mehr Grün um sich herum? Wann soll ich wieder arbeiten? Und wie viel? Und wo?
Und egal wie man sich auch entscheidet, man entkommt ihnen nicht, diesen Momenten, in denen man plötzlich alles in Frage stellt. Die kleinen Dinge. Und die großen. Das weinende Kind in der Kita. Die Müdigkeit am Abend, wenn alle endlich schlafen und sich vor dir die Bügelwäsche auftürmt. Der Text, der bis übermorgen abgegeben werden muss. Der Stundenplan des Fitnessstudios, der mahnend am Kühlschrank hängt. Die Wohnungsanzeige im Onlineportal, die du bereits 85 Mal angesehen hast und dir doch nicht die Frage beantworten kann, ob das kleine Reihenhaus-Glück nicht doch genau das ist, was du suchst.
Wir haben so viele Rollen in unserem Leben. Wir sind Eltern. Mütter. Väter. Wir sind Kinder, die unserer eigenen Eltern. Wir sind Arbeitnehmer, Kunden, Beauftragte, Zuarbeiter, Rädchen im Getriebe der Gesellschaft. Steuerzahler. Partner, Eheleute, Liebende. Wir sind Konsumenten und Ratgeber, Wissensvermittler und Wissensnehmer. Wir sind Frauen. Und Männer. Mit all ihren Bedürfnissen nach Liebe und Anerkennung, nach Freundschaften und Unterstützung.
Es heißt, ein Mensch trifft bis zu 20.000 Entscheidungen pro Tag. Meist sind das ganz minikleine, die wir nicht mal bemerken. Nutella oder Marmelade? Bier oder Wein? U-Bahn oder Fahrrad? An den großen knabbern wir länger. Es sind diejenigen, die uns die Zweifel bescheren. Die uns hadern lassen mit uns selbst, jeden Tag aufs Neue.
Und wenn sie dann mal getroffen sind, dann überlegen wir so oft doch immer weiter und weiter. Dann nagen sie, die Zweifel. Hello, schlechtes Gewissen! Wie schön dich schon wieder hier zu haben. Dabei warst du doch gestern erst mit einer extralangen Schicht zu Besuch.
Ich weiß, dass es Quatsch ist, aber ich kann es nicht abstellen. Blöd eigentlich, aber das Gedankenkarussel dreht sich munter, ob ich will oder nicht. Ob es wirklich richtig ist, den Kleinen schon mit zwölf Monaten betreuen zu lassen. Ob er es jetzt gut hat, wenn ich schnell die Tür hinter mir zuziehe und ins Büro radle. Dann ertappe ich mich dabei, wie ich den ganzen Vormittag immer wieder an ihn denke. Und an seine Schwester. Es ist Mittwoch, da gehen die Kindergarten-Kinder immer für zwei Stunden in den Hort der benachbarten Schule und werden dort betreut. Sie hasst es und ich weiß das. Und deswegen sitze ich nun hier und denke an sie. Überlege, ob sie vielleicht wieder weinen wird. Dabei ist sie doch so ein starkes Mädchen.
Ich weiß, dass es der richtige Weg ist. Dass ich meinen Job liebe. Dass ich ihn brauche, um ich selbst zu sein. Aber ich kann sie nicht aus dem Weg räumen, diese zwei Herzen. Das Mama-Herz. Und das andere. Das Ich-Herz. Lange habe ich überlegt, ob man es so bezeichnen kann. Denn das Mama-Herz, das ist ja auch ein „Ich“. Aber ein anderes. Ein geteiltes. Das Ich-Herz, das bin ich allein. Das bin ich als Frau, als Abenteuerin, als Freigeist als Entdeckerin, als Reisende, als Suchende, als Findende.
Ich sehe Fotos von mir an, sie sind nur wenige Jahre alt, aber ich kann sehen, wie das Muttersein seine Spuren hinterlassen hat, wenn ich in mein heutiges Gesicht blicke. Da sind feine Linien um die Augen und diese blöde Falte an der Stirn, die man sich gerne wegbotoxt. Müder sehe ich aus als damals, finde ich. Kurz nach der Geburt meiner Tochter traf ich vor ein paar Jahren eine Bekannte auf einer Party (ja, ich ging da tatsächlich hin, mit einem vier Monate alten Kind) und sie sagte zu mir: Ist ja krass, du siehst so anders aus. Letztes Mal warst du noch ein Mädchen. Jetzt bist du eine Frau.
Mein Leben als Frau. Es hastet weiter und ich renne mit. Klappt ja alles, so weit so gut, Kinder sind betreut, Job läuft auch wieder gut an nach der Babypause, Mama-Treffs am Spielplatz, ein paar alte Freunde sind auch noch da, zum Sport, zur Kosmetik, gönnt man sich auch mal, Babysitter gefunden, alles gut, einmal im Jahr schafft man es dann sogar, sich zu betrinken. Läuft.
Nur manchmal, da streut das Leben dann halt doch ein wenig Sand ins Getriebe und der Motor gerät ins Stottern. Da weint das Kind dann plötzlich, wenn man es zum Kindergarten bringt und man selbst würde sich am liebsten daneben setzen und mitheulen. Weil plötzlich alles so schwer erscheint und nichts richtig ist. Weil es so weh tut, sein Kind weinen zu sehen. Weil es doch keine andere Lösung gibt. Weil das Leben nicht immer den Regeln folgt, die man gerne setzen würde. Weil all unsere Rollen eben immer nur das sind. Eine Rolle. Die sich aber doch nicht abstreifen lässt. Die Kinder schaffen es immer wieder, uns die Augen dafür zu öffnen. Und der Motor aus all diesen zusammengebastelten Plänen und alltäglichen Balanceakten gerät in Stottern.
Und wie ich so herumkaue auf diesem anstrengenden Thema, da weiß ich es plötzlich. Das ganze Leben besteht aus Rollen. Ich hatte schon einige. Viele hab ich schon wieder abgestreift, manche sind geblieben. Mutter, das ist einfach mal dazugekommen zu all den anderen. Wir jonglieren jeden Tag mit ihnen. Das macht müde. Das lässt manchmal zweifeln. Weil eben doch nicht immer alles nach Plan läuft.
Aber wisst ihr was: Pfeif auf den Plan. Kick die Erwartungen sonst wohin. Hört auf euch Sorgen zu machen, weil ihr meint andere könnten schlecht über euch urteilen. Du kannst nicht jede Entscheidung überdenken. 20.000 am Tag, nur zur Erinnerung. Und du kannst nicht jeder Rolle gerecht werden. Am Ende des Tages zählt das, was dich zufrieden macht. Vielleicht nicht mal glücklich. Das ist schon wieder so ein Anspruch. Man muss ja heutzutage immerfort glücklich sein. Und wenn man es nicht ist: stimmt irgendwas nicht.
Ja, verdammt, ich stehe da im Kindergarten und versuche krampfhaft meine Tränen zu unterdrücken. Wie peinlich wäre das denn. Und wenn schon! Wir alle sind mal unsicher. Wir alle hinterfragen uns als Eltern. Ständig. Das macht uns zu Menschen. Lass es raus!
… Kurze Pause zum Luft holen. Und um zum Schluss noch was Schönes zu erzählen …
Am Nachmittag stehe ich dann wieder vor dem Kindergarten. Ich bin überpünktlich. Will meiner Kleinen zeigen: Ich bin für dich da. Mein Herz ist ganz schwer, ich denke immer noch an ihre Tränen. Gucke vorsichtig ums Eck.
Da kommt sie mir entgegen geflogen, freudestrahlend und mit einem riesengroßen Grinsen im Gesicht. Mama, es war heute so schön im Kindergarten! ruft sie mir entgegen. Und mein Herz, mein eben noch so schweres, trauriges Mama-Herz wird ganz warm und weich und leicht. Und die Freude nagt sich hinein. Darüber, dass es meinem Kind gut geht. Darüber, dass die Tränen vergessen sind. Darüber dass all die Zweifel, die Sorgen, die Ängste so unberechtigt waren.
Und ich merke, wie ich selbst schon wieder ein Tränchen verdrücke. Vor Erleichterung. Vor Liebe. Weil es eben genau so ist, das Leben.
Und weil wir es doch im Grunde trotz allem ganz gut hinbekommen.
6 comments
Schöner Text – uns Müttern geht es doch allen gleich….
Liebe Sonja, sehr spät, aber dennoch von Herzen: Danke! Diese Herzensthemen sind einfach echt wichtig. Dann merkt man schnell: Es geht allen anderen genauso. Das ist irgendwie beruhigend :-)
Schön dass es dir auch so geht wie mir!toller Text ????????hast du schon geschrieben????
Liebe Aileen, siehst du, jetzt antworte ich in einem Schwups auf alle deine Kommentare :-) Aber so ist das mit den To-do-Listen, gell. Viel zu lang, jeden Tag. Ich schrieb ja drüber. Hihi.
DANKE und liebe Grüße! Petra
Man hätte es kaum besser schreiben können. Ich finde mich als Frau, Mama, Working Mom, in deinen Gedanken wieder. Zweifel haben wir alle mal!
Liebe Grüße,
Andrea
Liebe Andrea, ich danke dir von Herzen und freu mich sehr über all das schöne Feedback … es geht uns allen gleich, so ist das wohl. Das ist schön zu wissen und entspannt auch irgendwie. Wir sind alle nicht perfekt, aber das müssen und wollen wir auch gar nicht sein! Liebste Grüße :-) Petra