Baby-Monat 12: Happy Birthday, kleiner Mann!

Mein lieber Baby-Bub,

vor genau einem Jahr kamst du zu uns. Du hast unsere Welt verändert, von 0 auf 100 wieder in eine völlig andere Richtung gedreht. Und sie so sehr bereichert. So schnell bist du ins Leben gefegt, dass wir es fast nicht mehr in die Klink geschafft hätten. Ein kleiner Speedy.

Es ist als ob es gestern gewesen wäre. In diesen Tagen habe ich oft daran gedacht, wie ich die letzten Tage der Schwangerschaft verbracht habe. Herbsttage wie diese. Warm und sonnig. Und dann eben, in dieser milden Novembernacht, da wolltest du kommen. Wir haben noch Witze gemacht, dass wir dich Martin nennen müssen, solltest du am 11. November geboren werden. So lange wolltest du dann aber doch nicht warten. Ich wusste genau, dass du deinen errechneten Termin nicht einhalten würdest.

Wie deine Schwester. 39+0. Wie deine Schwester hast du um 1:30 Uhr losgelegt. Ich staune immer wieder, welche Parallelen euch beide verbinden.

Als ich dann mit dir im Krankenhausbett lag und aus dem Fenster schaute, die letzten dürren gelben Blätter an den Bäumen, der Himmel ganz milchigblau, das Licht ganz sanft, da war alles so selbstverständlich und gleichzeitig noch so fremd.

Wir haben so viel erlebt in diesen vergangenen zwölf Monaten. Miteinander sind wir gewachsen. Wir waren unterwegs, sind so viel gereist. Du hast schon so vieles gesehen, auch wenn du es noch gar nicht verstanden hast. Du bist mit deiner Schwester ein Team geworden. Sie hat gelernt, was es heißt, einen kleinen Bruder zu haben. Den man lieben und knuddeln kann. Auf den man acht geben muss. Mit dem man teilen muss. Und dass das auch manchmal weh tun kann.

Ich habe dich begleitet in diesem ersten Jahr, wie es eine Mama eben so tut. Ich habe dich getragen, sehr viel sogar, in den ersten Monaten. Ganz fest warst du an mich gewickelt im Tragesystem. Wir beide. Eine Einheit. Ich hab dich gestillt und in so vielen Nächten hast du dich so eng an mich gekuschelt. Ich hab dich geschoben und gewickelt, dich gebadet und dir Brei gekocht. Hab dich gehalten und gewiegt, wenn dir etwas weh tat. Mit dir gespielt und dich gekitzelt, dich gecremt und massiert. All das. So selbstverständlich. Und gleichzeitig der Ausdruck von so viel Liebe.

Ich habe wieder gelernt, was es heißt loszulassen. Dich loszulassen. Ich kann dich lieben und dich begleiten. Aber deinen Weg, den wirst du alleine gehen. Ein Wimpernschlag und schon ist wieder so vieles neu. Du kannst wieder mehr. Du siehst anders aus. Du bist schon wieder gewachsen. Das erste Jahr mit Baby ist ein Jahr voller Abschiede. Es gibt so viele Momente, in denen man eine heimliche Träne verdrückt. Lieblingsstrampler werden zu klein. Der Kinderwagen hat seinen Dienst getan. Die Stillzeit geht irgendwann zu Ende. Auch mein Mama-Herz hat wieder geblutet in diesen letzten Monaten. Weil diese Momente so kostbar sind und man sie niemals festhalten kann.

Die Zeit, sie fliegt so schnell vorbei.

Ich blicke aus dem Fenster und sehe den Blättern zu, gelb und braun sind sie, sie wirbeln im Wind. Der Himmel ist so verwaschen blau wie damals. Du krabbelst durch den Garten und zupfst an den Grashalmen. Dick eingepackt in deinen Anzug, wie eine kleine blaue Raupe siehst du aus. Die Sonne scheint. Ein paar späte Rosen recken ganz trotzig ihre Köpfe in die Höhe. Alles wiederholt sich. Und manches ändert sich für immer.

Aus dem kleinen zerknautschten Bündel, das da vor genau einem Jahr in meinen Armen lag ist ein fideler kleiner Junge geworden. Der viel lacht. Der die Herzen aller stets im Sturm erobert. Ein kleiner Lausbub. Mein Herbstkind. Mein Geburtstagskind.

Du kannst jetzt schon ein paar Meter alleine laufen. Und ich merke, wie stolz es dich macht. Und dich gleichzeitig ängstigt. Dann streckst du deine Arme nach mir aus und schaust mich hilfesuchend an. Scheinst zu sagen: Lass mich nicht allein!

Und ich halte dir meine Hand hin, damit wir zusammen gehen. Ich bin deine Mutter. Deine Löwenmutter. Ich lass dich nicht allein. Zwölf Monate gehen so schnell vorbei. Ich freue mich auf all die Monate, die noch kommen. In denen wir gemeinsam gehen. Irgendwann wirst du einen anderen Weg nehmen als ich. Und das ist gut so.

Sei gewiss, es wird der richtige sein. Meine Hand ist immer da für dich.

Happy Birthday, mein kleiner, großer Bub.