Dieser Text erschien zuerst in der März/April-Ausgabe des Zwergerl Magazins. Meine Kolumne über die schönen, anstrengenden, herzerwärmenden und unterhaltsamen Seiten des Mamalebens findet ihr dort immer auf Seite 4.
Vergangene Woche auf dem Weg zum Zahnarzt hatte ich einen dieser Gedanken, die einem gerne mal zwischendurch kommen. Unter der Dusche. Oder eben auf dem Rad. Und zwar dachte ich Folgendes: Jetzt hast du so viel Aufwand betrieben, um dir Zeit freizuschaufeln: Babysitter organisiert, Arbeit und alles andere verschoben, Tag so geplant, dass wirklich nichts den Termin gefährdet. Und was bitte machst du in diesen kostbaren zwei bis drei Stunden? Du gehst zum Zahnarzt.
Ein Elternabend geht immer
Das Ganze hatte ich vor einigen Wochen schon einmal, als ich nämlich zum Elternabend meiner Tochter ging. Gut, es war immerhin der erste überhaupt für die Erstklässler, da fühlt man sich irgendwie verpflichtet. Aber andererseits weiß ich gar nicht, wie oft ich im letzten Jahr gesagt habe: „Tut mir leid, aber abends rausgehen ist grade nicht möglich.“ Was ja stimmt, wenn du ein Stillkind hast, das keine Flasche mag. Da sind die Zeitfenster eng.
Aber dass es dann immer ausgerechnet diese „Muss“-Termine sind, für die man dann doch seine kostbare Zeit hergibt – das ist dann wieder so typisch Mutter. Dass es uns aber gar nicht gut tut, wenn wir die Pflicht immer über die Kür stellen, merken wir immer dann, wenn es doch mal im Getriebe knirscht. Wenn wir feststellen, wie müde und kaputt es machen kann, nicht genug auf sich aufzupassen.
Nein, ich bereue nichts
Ich erinnere mich da an die Diskussion zum Thema Regretting Motherhood, die es vor ein paar Jahren mal gab. Eine Studie aus Israel hatte Mütter untersucht, die sich tatsächlich wünschten, sie hätten niemals Kinder bekommen. Das Ganze war natürlich erst einmal eine Studie mit nur wenigen Frauen in einem ganz speziell gelagerten Umfeld. Aber die Debatte verselbständigte sich dann irgendwie und bald ging es nur noch allgemein darum, wie unglaublich anstrengend Mutterschaft sein kann.
Das unterschreib ich gern. Denn müde und irgendwie „durch“ sind wir doch alle immer mal wieder. Allerdings bedeutet das ja noch lange nicht, dass wir es grundlegend bereuen, Mutter geworden zu sein. Denn auch wenn uns unsere Kinder manchmal in den Wahnsinn treiben, so lieben wir sie doch mit jeder Faser unseres Herzens.
Der Wunschtraum vom „alten Leben“
Es gibt sicherlich Momente der Schwäche, in denen wir uns sehnlich unser „altes“ Leben zurückwünschen. Ein Leben, in dem niemand die Wände mit Edding bemalt oder einen Schreikrampf bekommt, weil sich ein 1 Millimeter großes grünes Teilchen in die Nudeln verirrt hat. Ein Leben, in dem wir uns abends in der neuen Weinbar mit Freunden verabreden, statt auf dem Sofa einzuschlafen. Ein Leben, in dem wir jung und frei waren und auf niemanden wirklich Rücksicht nehmen mussten.
Ja, ich gebe zu: Auch ich bedaure es manchmal, dass diese Zeiten vorbei sind. Und ich befürchte, sie werden auch nie wieder kommen. Wobei – ist das jetzt wirklich so schlimm? Habe ich wirklich etwas verloren? Oder habe ich ganz im Gegenteil nicht wahnsinnig viel hinzugewonnen? Drei wunderbare Kinder nämlich, die mein Herz so sehr mit Liebe anfüllen, dass es manchmal schon fast nicht mehr auszuhalten ist?
Auszeit? Jetzt oder nie!
Ich beschließe an diesem Morgen beim Zahnarzt auf jeden Fall, dass ich beim nächsten „freien“ Vormittag tatsächlich mal etwas nur für mich tun werde. Zum Sport gehen oder in die Sauna. Oder zur Massage! Wie lange will ich das denn bitte schon machen. Vielleicht geht sich auch noch ein Besuch beim Friseur aus? Oder Pediküre? Gleich mal den Terminkalender checken und die Babysitterin wieder buchen. Perfekter Plan!
Mitten in meinen Wellness-Träumen höre ich die Stimme des Zahnarztes: „Tut mir leid, Frau W., aber die eine Stelle da hinten am Backenzahn, da müssen wir was machen. Kommen Sie doch bitte in zwei bis drei Wochen wieder. Und bringen Sie genügend Zeit mit.“
Wie gut, dass wir jetzt einen Babysitter haben. Und mit etwas gutem Willem gehen schöne Zähne ja auch als Wellness durch. Die kann ich dann herzeigen, wenn ich das nächste Mal ausgehe. Im April ist nämlich der nächste Elternabend.
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