In diesem Buch lässt Autorin Peggy Wandel 20 berufstätige Frauen aus aller Welt zu Wort kommen, die von ihrem Familienalltag erzählen. Und das ist ungemein spannend. Da sind Petra aus Finnland, Astrid aus Norwegen und Ingela aus Schweden, die von den traumhaften Betreuungszuständen in den skandinavischen Ländern erzählen. Und wer hätte gedacht, dass es in Finnland Mutterschaftspakete mit einer Babyerstausstattung gibt – nebst Windeln, Stramplern und Bodys auch bestückt mit Spielzeug, Stilleinlagen und Kondomen. Kareen wiederum ist Finnin, lebt aber mit ihrer Familie in Chile – und hatte dort mit einigen Startschwierigkeiten zu kämpfen, die das Leben als Hausfrau und Mutter, und später dann als Selbstständige, im Ausland mit sich brachte. Oder Simi aus Indien, die erzählt, dass indische Frauen auf dem Heimweg von der Arbeit im Bus Gemüse schnippeln – um daheim rechtzeitig das Essen auf den Tisch bringen zu können.
Der Spagat zwischen Job, Familie und Haushalt zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichten. Und immer wieder geht es natürlich um die richtige Art der Betreuung, die Rolle des Staates und die (fehlende) Unterstützung der Arbeitgeber. Es macht einfach Spaß, sich durch die verschiedenen Kulturkreise zu lesen. Von Südafrika nach Israel, von den USA nach Ungarn.
Es gibt die Geschichten, die Hoffnung machen und Optimismus, wie jene von Steffi aus Australien, deren Arbeitgeber extrem familienfreundlich ist. Es gibt die von Reka aus der Schweiz, die schonungslos davon berichtet, dass das „Mutterleben im Schoki-Land“ nicht nur süß schmeckt und sich die Frauen zwischen einem sehr traditionellen Familienmodell und einem im Vergleich zu Deutschland extrem kurzen Mutterschutz ihre Rolle suchen müssen. Das Deutschland-Mutterbild zeichnet Simone. Sie berichtet darüber, wie sie als Alleinerziehende durch ihre Teilzeitstelle aufs berufliche Abstellgleis gestellt wurde.
Die Themen gleichen sich immer wieder, egal welches Land, egal welche Kultur. Frau und Mutter sein beißt sich an vielen Enden mit dem Beruf. Immer wieder sind Kompromisse gefragt. Gleichzeitig sind fast alle Väter in den Berichten Prototypen des modernen Männerbildes: Sie unterstützen ihre Frauen, bei der Karriere und zuhause – was nicht immer selbstverständlich ist.
Wir leben in einer vernetzten Welt, wie auch die Autorin in ihrem Vorwort festhält. Wir können überall auf der Welt skypen, mailen, telefonieren. Und dennoch schauen wir, gerade was das Familienleben angeht, allzu selten über den eigenen nationalen Tellerrand. Zeit wird’s! Das Buch bietet viele Anregungen, sich einmal Gedanken über den eigenen Status zu machen. Da sieht man dann manches plötzlich mit anderen Augen. Was mir persönlich in dem Buch fehlt, ist ein Bericht aus Frankreich. Denn gerade die Franzosen sind doch immer die großen Vorbilder wenn es um’s Kinderkriegen geht (siehe dazu auch einen meiner letzten Posts). Ansonsten sind Thema, Inhalt und Aufmachung (alle Kapitel funktionieren als abgeschlossene Berichte auch für sich) einfach wunderbar. Sehr lesenswert!
Peggy Wandel: Zwischen Karriere und Krabbelgruppe
20 berufstätige Mütter aus aller Welt erzählen, wie sie Familie und Job unter einen Hut bekommen. Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin, 2012.