Heute geht es nicht um mich. Sondern um eine Frau, eine Leserin, die dieses Thema an mich herangetragen hat. Ich habe diesen Text schon vor einiger Zeit geschrieben, weil es mich so beschäftigte, was sie mir damals sagte. Ich war unsicher, ob er für den Blog gemacht ist, weil es eine sehr persönliche Nachricht war. Gestern hat sie sich wieder bei mir gemeldet und mir erzählt, dass sie sich gegen die Beziehung entschieden hat. Und damit für sich. Und auch für ihre Kinder, auch wenn das mancher vielleicht im ersten Moment anzweifeln mag. Deswegen ist das hier nun auch die heutige „Geschichte aus dem Leben“ für meine neue Montagsrubrik. Ja, er ist für dich geschrieben, liebe Leserin, du wirst es wissen, wenn du dies liest (ich hoffe es zumindest). Und für all die anderen starken Frauen und Männer da draußen, die sich zerreissen zwischen dem eigenen Selbst und ihrer Rolle als Mutter, als Vater, als Partnerin, als Partner. Als Liebende und vielleicht nicht mehr Liebende. Weil die Entscheidungen im Leben, die auch unsere Kinder betreffen, immer die schwersten sind.
Für all die Schmetterlinge …
Wir sprachen von Beziehungen, von Liebe, und was es mit dir macht, wenn du merkst, dass sie nicht mehr da ist. Von all den Tränen und den Kämpfen, die vielleicht umsonst geweint, umsonst durchgefochten sind. Weil es einfach nicht mehr geht. Weil einfach nichts mehr da ist. Du sagtest, wie soll das gehen, da sind doch die Kinder, sie sind noch so klein. In deiner Stadt mit zwei Kindern eine Wohnung zu finden, alleinerziehend, ohne viel Geld. Unmöglich.
Wir sind nicht mehr 20, als wir wie die Schmetterlinge einfach weiterflatterten, im unerschütterlichen Glauben, dass das Leben gut ist und dass er irgendwann käme, der Prinz auf seinem Pferd. Wie leicht es damals doch war, denke ich, und weiß doch, dass es gar nicht stimmt. Ich kann noch heute den Schmerz in meinem Herzen fühlen, als die erste große Liebe zerbrach. Die durchweinten Nächte, die trotzigen Eskapaden im Rausch der Nacht. Um zu vergessen.
Heute flattern wir nicht mehr weiter, wie könnten wir auch. Wir sind Mütter, wir haben Verantwortung für so viel mehr als nur für uns selbst. Der Prinz, er kam und er hatte ein Pferd und wir dachten, es sei für immer. Und da sagten wir Ja zu diesem neuen Leben. Wie schön es sein kann, davon erzählen wir gern. Die Tränen verschweigen wir, niemand soll sie sehen. Der Schmerz ist ein anderer geworden, er ist dumpfer, er brennt nicht so schlimm. Abgestumpft durch den Alltag mit seinem aberwitzigen Tempo, der so vieles überdeckt. Und doch ist er da. Und nagt. Vielleicht ist das sogar schlimmer als zu brennen.
Die Leere in dir, ich kann sie spüren
Was passiert, wenn die Liebe stirbt? Du sagst, du weißt nicht, ob du noch kämpfen kannst. Es fühlt sich so leer an, meinst du, und wirkst dabei so abgeklärt und gefasst. Ich weiß genau, du bist es nicht. Du willst herausfinden, was du wirklich willst. Dein Körper zeigt dir, dass du leidest. Die Rückenschmerzen. Die ständigen Krankheiten. Du weißt genau, dass deine Seele versucht es herauszuschreien. Und doch, wir können nicht aus unserer Haut. Wir sind Mütter. Wir beißen die Zähne zusammen und wollen immer das Beste für alle. Alle anderen.
Wie kann man an alle denken und sich selbst nicht verlieren. Du versuchst eine Antwort zu finden. Wie haben es unsere Mütter gemacht? Ist es nicht eine Errungenschaft unserer Generation, dass wir gehen können? Ohne Stigma. Selbstbestimmt. Frei. Du sagst, du weißt genau, dass du nicht noch 20 Jahre so weiterleben möchtest. So wie es vielleicht unsere Mütter noch getan hätten, wenn sie da standen, so wie du jetzt. An dieser Kreuzung. Links oder rechts. Gehen oder bleiben. Sie wären geblieben, viele von ihnen. Weil man das eben so macht.
Wir haben uns davon befreit, sagt man. Und doch wissen wir beide, dass es nicht so ist. Wenn wir gehen, verlieren wir. Immer. Und die, die am meisten verlieren, sind die, die wir doch beschützen wollen gegen alles. Mit unserem Löwinnen-Mut. Mit unserer Mutter-Liebe. Und deswegen bleiben wir und versuchen, die Liebe zu retten, sie zu finden, vielleicht hat sie sich ja nur nur versteckt.
Was kann ich dir geben. Außer meine Hand. Und einen Text.
Und ich stehe nur da und versuche mich zu erinnern, wie das war als all die Lieben starben, die ich schon erleben durfte. Die eine, die wirklich große, ist geblieben, bis heute. Seit so vielen Jahren. Wie kann ich dir einen Rat geben, wo ich so frei bin von all den Tränen, die du geweint hast. Meine sind schon so lange her. Sie haben gebrannt, fürchterlich. Und doch sind sie nichts mehr als eine leise Erinnerung an eine Zeit, die es nicht mehr gibt.
Ich kann dir nichts geben als meine Ohren. Zum Zuhören. Meine Hand. Um deine zu nehmen, damit du weißt: Du bist niemals allein. Die Poesie. Diesen Text.
Weil es das ist, was ich kann. Eine Welt aus Worten bauen. Die trösten, vielleicht. Ihre Magie vermag so vieles. Sie machen uns in unserem Träumen zu dem, was wir uns so sehr wünschen. Sie geben uns Mut. Und Zuversicht. Und, ja, sie lassen uns das sein, was wir tief in unseren Herzen immer noch sind.
Federleicht und bunt. Mit geschwungenen Flügeln und grenzenlos frei. Wenn du die Augen schließt, dann siehst du, was du immer noch bist.
Ein Schmetterling.
Wer es könnte
die Welt
hochwerfen
dass der Wind
hindurchfährt.HILDE DOMIN
4 comments
Wunderschöner Text. Ich bin noch ganz sprachlos. Toll.
LG Anke
Ohhhh! Danke! Es ist kein einfaches Thema, ich freu mich aber so, wenn es Texte schaffen zu berühren. Viele liebe Grüße Petra
Wow, Petra. Ich bin sprachlos. Und berührt. Allergrößter „Sport“ hier bei Dir – IMHO.
Mein Lieber, danke. Ich freu mich dass du mal wieder hier bist!!! <3