Wohnraumoptimierung … Hört sich erstmal sperrig an. Aber genau darum geht es hier: Das Unternehmen Habitiny ist ein cleverer Ansatz für Familien, die in der Stadt wohnen wollen – trotz steigender Mieten, unbezahlbarer Immobilien und Kindern, die mehr Platz benötigen. Und die Gründerin Sima hat aus ihren eigenen Erfahrungen und ihrer Passion für Interior Design Lösungen für eine der ganz großen Fragen unserer Zeit entwickelt: Wo und wie wollen wir leben?
Mehr als 20 Jahre meines Lebens habe ich mitten in der Stadt gewohnt. Erst in Schwabing, dann in der Maxvorstadt in Uni-Nähe und dann im Glockenbachviertel. Die Studenten-Einzimmerbude wurde zur Zwei-Zimmer-Wohnung wurde zur Drei-Zimmer-Wohnung. Und irgendwann war die dann wirklich zu klein für 2 Erwachsene und 3 Kinder.
Unser Glück: Wir haben das Grundstück der Oma im Münchner Umland geerbt und konnten dort ein Haus bauen. Wer weiß, sonst wären wir vielleicht auch noch länger in unserer Münchner Wohnung geblieben. Ich hab die ohnehin sehr sehr sehr sehr sehr geliebt. Altbau. Hohe Decken. Kassettentüren. Sprossenfenster. Und das alles mit einem tatsächlich noch vorhandenen Altbau-Charme. Also eher rustikal als Hochglanz, um es mal so zu sagen.
Es ist ja so: Als Familie in der Stadt zu wohnen (oder: wohnen zu bleiben), wenn die Kinderschar wächst, ist eine echte Herausforderung. Denn man will ja nicht wirklich weg aus seinem Viertel, seinem Kiez, wo man so vieles schätzt und kennt. Kita, Schule, Freunde der Kinder – alles da. Was es bedeutet, das alles aufzugeben und an einer anderen Stelle nochmal alles neu aufzubauen, kann man sich denken, selbst wenn man keine Kinder hat. Man zieht dann eben nicht mehr so schnell mal um. Und außerdem ist das eine Zimmer mehr, das echt schön wäre, mittlerweile auch gar nicht mehr bezahlbar. (Über das Thema habe ich mir übrigens bereits vor mehr als 5 Jahren Gedanken gemacht – schaut doch mal in den Blogpost rein!)
Man muss es so hart sagen: Wir hätten für ein paar Quadratmeter mehr locker das Doppelte bezahlen müssen. Das hätten wir vielleicht grade so gestemmt. Aber natürlich auf Kosten sehr viel anderer Dinge, die wir uns dann nicht mehr hätten leisten können. Und so wären wir vielleicht wie so viele andere einfach geblieben. Dafür gibt es sogar einen Fachbegriff: Den Lock-in-Effekt. Der beschreibt die Situation, dass es keine Durchmischung auf dem Wohnungsmarkt mehr gibt – weil einfach jeder da ausharrt, wo er ist und sich so gut es geht damit arrangiert.
Um mit Mann und Maus einfach zu bleiben und weiterhin alles unterzubringen, braucht man allerdings Ideen, Inspiration und im besten Fall jemanden, der einem dabei hilft: So wie Sima Niroumand aus Köln. Sie bietet mit ihrem Unternehmen Habitiny genau das: Aus (zu) kleinen Wohnungen das Beste herauszuholen. Wie diese „Wohnraumoptimierung“ funktioniert und welche Geschichte dahinter steckt, das habe ich sie hier mal gefragt.
Liebe Sima, du bietest „Wohnraumoptimierung“ an. Was kann man sich darunter denn vorstellen?
Bei Habitiny geht es darum zu planen, wie man den vorhandenen Wohnraum noch besser nutzen kann. Also komme ich und berate erst mal. Dann geht es an die konkrete Umsetzung: Ich habe Kontakte zu Schreinern und Tischlern, briefe die entsprechend und bin dann im gesamten Prozess der Ansprechpartner. So entstehen individuelle Wohn- und Möbellösungen, die perfekt zur jeweiligen Situation passen.
Kam die Idee durch deine eigenen Erfahrungen auf?
Kann man so sagen. Wir wohnen in einer tollen Wohnung mitten in Köln und für uns war immer klar: Da wollen wir bleiben, auch mit den Kindern. In der zweiten Schwangerschaft musste ich dann viel liegen und hatte Zeit zu überlegen, was man denn an der Wohnung ändern müsste, damit das auch mit 2 Kindern wirklich noch klappt und alle Platz haben. Und dann kam die Idee: Andere möchten das vielleicht auch. In der Elternzeit habe ich dann das Konzept ausgearbeitet und bin im Herbst 2019 mit Habitiny gestartet.
Ich schätze der Bedarf ist in Köln entsprechend groß, oder?
Der Bedarf ist auf jeden Fall da. Viele Familien wollen gerne da bleiben, wo sie sich verwurzelt haben. Das heißt in vielen Fällen eben: Sie wollen in der Stadt bleiben, genau da wo sie sich wohlfühlen und eben nicht die Vernunftlösung mit Reihenhaus in der Vorstadt oder einen kompletten Neuanfang auf dem Land.
Was ist denn die größte Herausforderung dabei, Wohnungen entsprechend umzugestalten?
Natürlich muss man erstmal schauen was überhaupt möglich ist, gerade bei Mietwohnungen. Und dann ist es ja so: Kinder werden schnell größer. Was heute mit Baby funktioniert, wird in ein paar Jahren mit Schulkind schon wieder anders aussehen. Daher ist dieser flexible Ansatz extrem wichtig: Wie will ich jetzt wohnen, wie in ein paar Jahren? Welche Möbel sind dann wichtig? Wie kann ich meine Wohnsituation nachhaltig gestalten?
Planst du, das Konzept auch in anderen Städten anzubieten?
Mein Ziel ist schon, ein Netzwerk anzubieten, das auch außerhalb von Köln und dem Rheinland funktioniert. Denn in allen größeren Städten stehen die Menschen ja vor den gleichen Herausforderungen. Ich habe bereits Anfragen aus Berlin, Hamburg und München. Dafür vernetze ich mich nun gerade und suche passende Designer, Innenarchitekten und Tischler. Viele junge Handwerker haben das Thema verstanden und wissen welche Herausforderungen das Ganze mit sich bringt.
Deine Kunden sind wahrscheinlich vor allem Familien?
Genau. Die Kinder wachsen eben, die Wohnung nicht. Ich stelle immer wieder fest, dass es eine Vielzahl von Familien gibt, die sich vor ein paar Jahren noch locker eine Immobilie oder eine größere Mietwohnung hätten leisten können. Die aber heute sagen: Jetzt geht das leider nicht mehr, wir haben den Moment leider verpasst.
Lohnt sich das Ganze denn, gerade wenn man in einer Mietwohnung wohnt?
Ja! Meine Konzepte und Lösungen sind alle rückbaubar. Ich habe aber auch Anfragen von Eigentümern. Grundsätzlich ist in einer Mietwohnung vieles möglich, aber natürlich nicht alles.
Was kostet das denn? Und wie individuell lässt sich das alles planen und umsetzen?
Ein normales Coaching kostet 90 Euro für eine Stunde. Das mache ich idealerweise per Videochat und gebe dabei erste Tipps, was man machen könnte. Wenn der Kunde dann direkt merkt: Das ist nicht so wie ich mir das vorgestellt habe, kann er innerhalb von 30 Minuten auch abbrechen und hat dann keine Kosten.
Für die darauf folgende detaillierte Bedarfsanalyse, bei der ich vor Ort bin, berechne ich 240 Euro. Dabei spreche gerne auch mit der kompletten Familie und horche rein, was die Wünsche und Ziele sind. Daraufhin entwickle ich einen Masterplan mit grober Kostenschätzung. Oder ich plane von Beginn an auf ein bestimmtes Budget. Ab da verrrechne ich dann 100 Euro pro Stunde. Dazu kommen dann noch die Kosten für den Tischler und für das Material.
Alles, was ich plane, ist also individuell zugeschnitten. Natürlich gibt es diese „Standard-Tricks“, die immer funktionieren, aber auch die muss man ja entsprechend auf die Wohnung abstimmen.
Apropos Trick: Verrätst du mir deinen Lieblingstipp, um ohne viel Aufwand ein wenig mehr aus einer kleinen Wohnung herauszuholen?
Immer an die Höhe denken! Auch wenn die Höhe gar nicht so hoch erscheint: Selbst bei dem Standardmaß von 2,30 Meter kann man einiges machen und beispielsweise neue Ebenen erschließen. Und es ist wichtig, auch in kleinen Räumen mit Farbe zu arbeiten. Toll und entsprechend gefragt sind Podestlösungen, gerade wenn man hohe Decken hat. Die Flächen sind variabel und können zum Beispiel als Bett oder Spielebene dienen. Unter drunter eröffnen sie neuen Stauraum mit Schubladen oder Rollcontainern.
Hast du eigentlich vorher auch in dem Bereich gearbeitet oder bist du Quereinsteigerin?
Sowohl als auch könnte man sagen. Ich habe Kommunikationsdesign in Hamburg studiert und sehr viel im Bereich Print gearbeitet. Die letzten 13 Jahre war ich in Digitalagenturen unterwegs und habe da zuletzt als Creative Directorin unter anderem interdisziplinäre Projekte mit dem Schwerpunkt „Kommunikation im Raum“ begleitet. Ich wollte aber mehr mit Interior Design machen und da war dann die Idee zu Habitiny in der zweiten Schwangerschaft nicht weit.
Das Ganze soll natürlich weiter wachsen: Zur Zeit entwickle ich die HabitinyFlex-Methode, die Eltern dabei hilft, einen Wohnplan für die nächsten Jahre zu entwickeln. Da geht es dann darum, wie man die Wohnung nach und nach umstrukturieren kann und wie man sie modular und je nach Anforderung justierbar macht. Wer weiß schon, wie seine Kinder in den nächsten Jahren schlafen, ob sie mehr Platz zum Spielen oder Lernen benötigen und wie die Kinder miteinander agieren?
Liebe Sima, vielen Dank für das tolle Gespräch übers Wohnen in der Stadt, die Herausforderungen des urbanen Lebens und dein spannendes Unternehmen! Solltet ihr auf der Suche nach genau so einer Lösung sein, dann klickt euch bei Sima rein (unten habe ich euch nochmal alles verlinkt). Sie hat so viele tolle inspirierende Ideen, dass ich jetzt fast schon wieder traurig bin, dass ich die nicht in unsere alte Glockenbach-Bude einbauen kann :)
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Foto Credit für alle Fotos: Sabrina Weniger