Vor einigen Tagen stand eine Anzeige in der Zeitung. Sehr vielversprechend: Vier Zimmer, Altbau, Stuck, hohe Decken, 100 qm. Miete etwa 1.900 Euro warm. Glockenbachviertel. Also unseres. Umziehen ist irgendwie kein Thema, latent aber doch immer wieder, weil halt vier Zimmer doch mehr Platz bieten als drei und das Kind wird ja auch größer und braucht zunehmend auch ein bisschen mehr Raum. Also rief ich an, denn das Wichtigste hab ich ja noch gar nicht erwähnt: Direkt vom Eigentümer. Also ohne Makler, eine Berufsgruppe, die generell ja nicht so den besten Ruf weg hat und in München schon dreimal nicht. Wer hier schon mal eine Wohnungsbesichtigung mit einem Makler hatte, der weiß, von was ich spreche.
Ich telefonierte also mit einer netten Dame, die mich wissen ließ, dass es in der nächsten Woche einen Besichtigungstermin gäbe, zu dem wir gerne kommen könnten. Natürlich erwähnte sie, dass die Nachfrage enorm sei und das Telefon nicht mehr still stehe. So ist das hier in München. Eine Wohnung, die 19 Euro warm den Quadratmeter kostet, gilt in dieser Stadt geradezu als billig. Gut. Die Lage! Alle wollen natürlich dort wohnen, wo es schön ist, und besonders schön ist es halt direkt an der Isar, quasi mit direktem Zugang zu den Isarauen und mitten drin im Leben, wo man nur zur Tür herausfallen muss, um in die nächste Kneipe hineinzupurzeln. Unser Viertel ist wie ein kleines Dorf für sich und das liebe ich ja gerade daran. Viele andere wollen das natürlich auch und der Wohnraum ist begrenzt. Angebot und Nachfrage und so weiter.
Die Mieten steigen höher als die Penthäuser hoch sind
Nun ist es aber eben so, dass diese ganze Miet-Thematik langsam aber sicher in absurde Sphären abdriftet. Bleiben wir mal bei uns im Viertel. Da gibt es einen Neubaukomplex, der schon traurige Berühmtheit erreicht hat, weil er als Symbol für die maßlose Gentrifizierung eines Viertels steht … das „The Seven“ in der Müllerstraße, ein ehemaliges Heizkraftwerk der Stadt München. Das Penthouse im obersten Stockwerk ist angeblich die bisher teuerste Immobilie der Stadt, Kosten im zweistelligen Millionenbereich. Bei Immobilienscout ist derzeit immer noch eine Wohnung dort zu bekommen – Miete für die immerhin fünf Zimmer und knapp 240 Quadratmeter 5.950 Euro kalt. Umgerechnet also 25 Euro kalt für den Quadratmeter.
Bei uns ums Eck entstehen aktuell die „Glockenbachsuiten“, für die sie ein altes Häuslein samt Biergarten abgerissen haben. Schade um die stattlichen Kastanien … Protest regte sich dann doch noch, aber reichlich spät. Dafür sind aktuell noch Wohnungen in dem Neubau zu haben … beispielsweise eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 90 Quadratmetern für schlappe 968.000 Euro. Beworben wird das Ganze von der Immobilienfirma so: „Für Familien! Traumlage an der Isar“.
Wohnungen für alle? Wohl eher nicht
Und genau das ist es, was mich nervt: Wie kommen die darauf, das als Familien-Wohnung zu betiteln? Welche Familie kauft sich denn eine Wohnung für fast eine Million Euro mit drei Zimmern und 90 Quadratmetern? Und das Haus liegt zwar direkt an der Isar, aber sie vergessen leider die ziemlich viel befahrene Hauptstraße vor der Tür zu erwähnen, ebenso die Straßenbahn die im 10-Minuten-Takt vorbeibimmelt – und quer über die Kreuzung liegt der Kiosk an der Reichenbachbrücke, der zwar ein Herzstück des Viertels ist und sogar 24 Stunden rund um die Uhr geöffnet hat – vor dem sich deswegen aber halt im Sommer und auch durchaus an anderen Tagen im Jahr eine riesige Meute an Leuten schlängelt, um dort Bier und anderes zu kaufen, das dann an der Isar verzehrt wird. Und zwar gerne bis in die Nacht. Deswegen mag ich dieses Viertel ja auch so – weil es eben die perfekte Mischung aus urbanem Leben und Natur bietet. Wer aber eine Million für eine Wohnung hinblättert, der wird sich im Zweifelsfall bedanken über den nächtlichen Geräuschpegel. Da sind doch die Probleme schon wieder vorprogrammiert.
Die Liste könnte man endlos fortführen. Hier 1,9 Millionen Euro für eine Vier-Zimmer-Wohnung. Dort eine knappe Million für ein Reihenhaus in der Vorstadt. Sicherlich: Es gibt Ecken, da ist es (noch) etwas günstiger. Und natürlich muss nicht jeder mitten in der Stadt wohnen. Es gibt S-Bahnen und U-Bahnen und Busse und zur Not auch Autos, mit denen man überall hinkommt. Aber was ist denn die Konsequenz aus dieser Entwicklung, die ja in anderen Städten genauso grassiert? Dass in den zentrumsnahen und den „Szene“-Vierteln irgendwann nur noch Leute wohnen, die sich eine Kaltmiete von 20 bis 25 Euro aufwärts leisten können? Und was sind das für Menschen? Sind das reiche Geschäftsleute, für die das dann der Drittwohnsitz wird? Gibt es doch noch genügend Leute, DINKs oder was auch immer, die sich das leisten können und wollen? Ganz so schlimm kann es noch nicht sein, denn es gibt in unserem Viertel immer noch wahnsinnig viele Familien, man könnte meinen, die können sich das gar nicht mehr leisten. Vielleicht noch mit älteren Mietverträgen?
Wie wäre es mit einer guten Mischung?
Sicher, es darf in jeder Stadt Immobilien wie das The Seven geben. Wer so etwas haben will, für den soll auch ein Angebot existieren. Die Mischung macht es doch – und genauso wie Sozialwohnungen haben da auch die Luxusimmobilien ihren Platz. Aber was ist, wenn es nur noch solche Angebote gibt? Zumindest dominieren sie meine Wahrnehmung. Und wer halt „nur“ 2.000 Euro im Monat für Miete ausgeben kann und will, der muss sich halt leider mit 100 anderen Leuten in die Schlange stellen. Ich würde mir wünschen, dass diese Entwicklung endlich mal eine Pause einlegt, zumindest das. Wenn die Preise weiter so steigen, dann wird’s hier schwierig. Klar gibt es Städte, da ist es noch schlimmer. In London würden sie sich über die hier genannten Preise wohl schlapp lachen.
Man kann woanders wohnen. In meiner badischen Heimat bekäme ich für den Preis, den ich hier für eine Doppelhaushälfte bezahle, wohl ein kleines Schloss. Aber wie kann ich das denn, wenn hier meine Arbeit ist und mein Lebensmittelpunkt? Noch geht es irgendwie. Noch verschulden wir uns eben auf 40 Jahre, weil es halt irgendwann doch das eigene Häuschen sein soll, die Zinsen sind gerade günstig und mit Finanzspritze unserer Eltern geht das dann auch. Aber was kommt in fünf Jahren? Oder in zehn? Wo wohnen wir dann? In Ingolstadt? In Augsburg? Und wer wohnt noch in München? In welches Viertel zieht die Karawane dann?
Die kleinen Läden retten. Aber wie?
Wenn man sucht, dann findet man sie noch, die kleinen Läden, den Hinterhoffriseur, den Schuhmacher, die Nähstube. In unserer Straße gibt es ein Männerwohnheim in einem zugegebenermaßen unansehnlichen Gebäude und in einem Hinterhof sogar noch eine Autowerkstatt. Eine Reinigung, einen Laden für orthopädische Schuhe und ein Trödelgeschäft, in dem ich noch nie einen Kunden gesehen habe. Ja, so muss eine Stadt sein. Genau so und nicht steril. Ich hoffe, es bleibt so. Der Metzger in der Klenzestraße musste gehen, weil man ihn dort nicht mehr haben wollte, es hieß, man habe sich nicht mehr einigen können auf einen neuen Vertrag und zwischen den Zeilen liest man: Einen Metzger, den will man nicht mehr, der macht Dreck und manchmal auch Lärm, das passt nicht mehr, wozu gibt es Supermärkte, wer geht denn schon noch zum Metzger. Der Laden steht jetzt leer, es hängt ein Schild an der Scheibe: Zu vermieten. Im Zweifelsfalle zieht dort noch eine Galerie ein, noch eine Boutique, solvente Mieter, die man hier gerne haben will, weil sie ruhig sind und bestenfalls hip und halt hierher passen. Der Metzger ist an den Stadtrand gezogen. Was soll’s, ums Eck hat ein veganer Supermarkt aufgemacht, Fleisch zu essen ist ohnehin out.
Es wird ja immer viel geredet vom sozialen Wohnungsbau und dass es auch Wohnraum für weniger gut Verdienende geben muss. Was aber ist mit denen, die „ganz gut“ verdienen, also Leute wie uns, die sich dann trotzdem gegen eine Wohnung entscheiden, weil halt 2.000 Euro plus x Miete im Monat ein echter Brocken sind – wer weiß denn schon, was die Zukunft bringt – ein Job kann schnell weg sein, Selbstständigkeit ist immer ein Wagnis – wer mag sich da schon solch hohen Fixkosten ans Bein binden? Wir werden schnell mal vergessen, denn theoretisch könnten wir uns das ja leisten. Wollen wir aber vielleicht gar nicht.
Raus aus der Stadt?
Was also sollen wir machen mit unseren eins, zwei, drei Kindern. Die Stadt verlassen? In den sauren Apfel beißen und an anderen Ecken sparen? Eine schöne Wohnung gibt es halt nicht zum Nulltarif. Wir werden sehen, was die Mieten und Immobilienpreise so machen werden in den nächsten Jahren. Runter gehen sie sicher nicht. Und offenbar gibt es immer noch Leute, die bereit sind, viel Geld auszugeben, denn die Wohnungen die heute auf den Markt kommen, sind morgen schon wieder weg. Auch die teuren.
Was mich aber insgeheim doch diebisch freut, ist, dass sie vorne am Eck bei den Glockenbachsuiten die Wohnungen dann doch nicht so einfach losbekommen. Wer eine Million zum Ausgeben hat, der kauft sich halt doch keine Wohnung mit soviel Verkehr vor der Nase und vergleichsweise so wenig Raum fürs viele Geld. Vor ein paar Tagen fanden wir übrigens ein Angebot: 230 Euro im Monat. Für einen Garagenstellplatz.
2 comments
Zumindest gibt hier Hilfe: http://www.habitiny.de
Liebe Sima, das ist ja ein tolles Produkt! Könnte tatsächlich für manche Familie DIE Lösung sein. Liebe Grüße – petra