In der aktuellen Ausgabe von Nido las ich die Tage einen Artikel über den Paninibilder-Sammelwahn der Jungs (ist ja bald wieder WM). Und zwar der großen und der kleinen. Die Autorin fragte sich (zu Recht), warum denn Männer, die Fußballbildchen sammeln, als cool gelten, während man bei den Müttern die Nase rümpfen würde, sähe man sie einträchtig mit ihren Töchtern Glitzersticker tauschen. Und Nase rümpfen wäre vermutlich noch eine milde Reaktion.
Nun musste ich auch direkt ein wenig lachen, denn just in der vergangenen Woche bin ich auf meine alte Barbie-Sammlung gestoßen, als die fünfjährige Tochter meines Cousins zu Besuch war. Die einst heiß geliebten Puppen mit der Wespentaille harren nämlich seit mehr als 20 Jahren in einer Kiste auf dem Dachboden meiner Eltern aus und warten auf Momente wie eben jenen. Mir wurde da tatsächlich ganz warm ums Herz, denn – unglaublich – ich hatte glatt vergessen, was ich denn so alles für Schätze besitze!
Da sind selbstredend die Barbies selbst, aber viel cooler sind ja fast noch die Accessoires: Ein Pferd (wobei ich glaube, das gehörte eigentlich Skipper, der kleinen Schwester von Barbie), eine Badelandschaft (dazu gab es sogar einen eigenen Badeschaum – ich erinnere mich, dass der aber ganz schrecklich gestunken hat) und – absolutes Highlight: Barbies Wohnung in Koffer-Form. Wenn man den Koffer auseinanderklappt, dann erhält man auf der einen Seite Barbies Schlafzimmer und auf der anderen ihr Büro. Mit allem Pipapo – Schreibtisch (sogar mit einer Uralt-80er-Jahre-Version eines Computers), Bett, Schminktisch … HERRLICH.
Und dann die Klamotten! Puffige Roben in rosa und apricot, mit Glitzersteinen besetzt und manchmal sogar leuchtend im Dunklen. Knappe Badeanzüge und Aerobic-Klamotten, bunte Sommerkleidchen, Ballett-Tütüs und pelzige Wintermäntel. Wir waren begeistert. Die Fünfjährige, ihre Mutter und ich.
Und ich frage mich nun allen Ernstes: Was ist nur der Grund dafür, dass wir erwachsenen Frauen beim Anblick dieser Barbies so ausflippen? Ist es die Erinnerung an unsere Kindheit, in der wir keinen Zentimeter ohne sie zurücklegten? Ja, ich hatte sogar einen Koffer, in dem ich die Barbies samt ihrer Klamotten transportieren konnte. Natürlich war der pink. Und mitten drauf prangte das riesige Konterfei einer Barbie. Es gibt ein Bild von mir und meinem Bruder, auf dem ich wie eine Barbie-Generalvertreterin vor unserer Haustür stehe, diesen Koffer fest umklammert. Barbie war einfach überall.
Vor gut einem Jahr eröffnete am Berliner Alexanderplatz ein „Barbie-Haus“, es gab Proteste von allen möglichen Seiten. Von wegen unrealistischer Körperkult, Mädchen sollen nicht „pink“ erzogen werden undsoweiter. Nun habe ich ja selbst eine Tochter und stehe immer mal wieder vor der Frage, ob ich sie denn zu sehr zu einem Mädchen erziehe. Aber, Hand aufs Herz: Hat mich meine ausgeprägte Barbie-Liebe, die ich im Alter von drei bis zwölf entwickelt hatte, zu einem schlechteren Menschen gemacht? Ich glaube es fast nicht. Ich denke, ich kann die kleine Madame irgendwann ruhigen Gewissens mit meiner Barbie-Kiste konfrontieren. Sie ist halt einfach ein Mädchen. Da kann man auch mal mit Puppen spielen. So lange sie sich dann immer noch für Fußball interessiert – who cares.
Meine Barbie-Mania nahm übrigens ohnehin ein rasches Ende. Mit 13 entdeckte ich, dass es unglaublich Spaß machen kann, den Barbies eine Punk-Frisur zu schneiden, ihre Haare bunt einzufärben und ihnen Tattoos mit Edding zu verpassen. Das gleiche Schicksal erlitt übrigens mein Schminkkopf (das sind die Köpfe, die man schminken und frisieren kann). Die Resultate dieser Teenager-Lebensphase fand ich dann auch noch in der Barbie-Kiste. Diese armen Puppen sahen leider doch ziemlich mitgenommen aus. Wir lernen fürs Leben: Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Auch Punk-Ladies haben das gewisse Etwas. Ist doch auch eine Erkenntnis.
Und während ich noch so am Überlegen war, wie das nun so weitergehen möge mit dem „Mädelskram“ in der Erziehung zeigte mir meine Tochter dann heute morgen direkt, was sie von diesem ganzen Dilemma so hält – geschlechtsneutrale Erziehung hin, Vermeidung aller „Pinkisierung“ her: Ich pappte mir gerade ein bisschen Tagescreme ins Gesicht, sie zupfte mich am Hosenbein, schaute mich ernst-bittend an und sagte: „Mama! Drem!“ Schmierte sich freudenstrahlend den angebotenen Klecks Creme ins Gesicht, lachte mich an und rief: „Mehr“.
Tja. Wir Mädels sind halt einfach wie wir sind. Wir cremen uns ein, wir spielen mit Barbies (und erinnern uns ein Leben lang seufzend daran) und manchmal, ganz heimlich, tauschen wir mit unseren Töchtern ein paar Glitzersticker.
Foto: Flickr/Sander van der Wel
1 comment
Oh, ein toller Eintrag! Ich kann mit der verklemmten „Ent-genderung“ (hier fehlt das passende Wort) auch nix anfangen. Weder hat mich meine Liebe zu Puppen (ich mochte einfach ALLE) noch mein Faible für lila zu einem Menschen gemacht, der auch heute ausschließlich Mädchenkram macht, noch suchte ich mir einen „Ken“…
Allerdings wünschte ich mir, dass meine Tochter freiwillig mal nach Creme verlangen würde, anstatt schreiend wegzulaufen, so als ob ich ihr ständig versuchen würde Schlamm ins Gesicht zu schmieren. Obwohl – letzteres fände sie wohl cool. Doch kein richtiges Mädchen :-)