Mein geliebter Sonnenschein,
jetzt ist es also soweit. Du hast deine ersten Schritte gemacht, ganz alleine. Du bist von uns fort getapst, ohne dich umzudrehen. Und warst so stolz, dass du es endlich kannst! Ich freue mich mit dir, und ich könnte heulen, weil es so süß aussieht, wie du durch die Gegend wackelst. Und ein paar Tränen, die wische ich mir besonders verstohlen aus dem Augenwinkel, denn sie weine ich nicht aus Freude. Sondern weil mir klar wird, wie sehr uns dieser Augenblick verändert.
Nein, du bist jetzt kein Baby mehr. Und ich muss lernen, dich loszulassen. Du brauchst jetzt meine Hand nicht mehr, an der du dich festhalten kannst. Jeder Schritt, den du tust, entfernt dich mehr von dem kleinen, hilflosen Wesen, das du mal warst. Manchmal wünsche ich mir diese Zeit zurück, sie ist so schnell vergangen.
Ich schäme mich ein bisschen, weil ich deine Freude über dein neues Können mit dieser stillen Wehmut betrachte. Und mir wird bewusst, dass ich dieses Gefühl noch oftmals haben werde. Elternsein ist voller Abschiede, das verstehe ich nun. Du wirst weiterwachsen und zu einem eigenständigen Menschen werden. Ich werde dich noch viele Male ansehen und begreifen, dass du dich schon wieder verändert hast. Und das ist gut so. Ich muss nur lernen, es zu akzeptieren.
Egal, was passiert, ich bin für dich da. Und ich fange dich auf, wenn du stolperst. Jetzt, bei deinen tapsigen ersten Gehversuchen, und immer wieder, egal wie viele Schritte du dann schon getan hast.