Gestern saß ich nach langer Zeit wieder einmal vor dem Hauptgebäude der Münchner Uni. Ich hatte meine Freundin N. getroffen, die mit Mitte 30 nochmal angefangen hat zu studieren. Bis zur Vorlesung waren es noch 20 Minuten und so setzten wir uns auf ein Bänklein am Geschwister-Scholl-Platz. Sie, ich und das Kind, schlafend, im Buggy. Der Brunnen plätscherte, im Gras fläzten sich die Studenten, die Sonne schien und den Obststand vom legendären Didi ums Eck, der ist auch immer noch da.
Es hat sich erstaunlich wenig geändert in 15 Jahren. Gut, wir tippten nicht unablässig auf unseren Smartphones herum, weil es damals fast noch ein Novum war, überhaupt ein Handy zu besitzen. Aber sonst? Die Szenerie kam mir so dermaßen bekannt vor, ich hätte fast halluziniert, dass ich wieder 20 bin und gerade überlege, ob ich jetzt zur Vorlesung gehe oder doch lieber ins Café. An der Rolltreppe zur U-Bahn hängen noch immer die gleichen Plakate (Uni-Partys, Sauf-Partys mit Flatrate, Wohnheim-Partys, Fakultäts-Partys …) und selbst die Studenten sehen irgendwie noch genauso aus wie in meiner Erinnerung. Schlabberlook halt. Dazwischen ein paar Blaubehemdete (BWL, Jura) und ein paar schicke Mäuse (Kommunikationswissenschaft).
Ja. Irgendwie war das in dem Moment wie eine Reise in eine wohlig-bekannte, seidenweiche Vergangenheit. Mit Tagen, die man einfach so dahinschludert, verträumt auf der Wiese im Englischen Garten oder vor einem Kaffee irgendwo im Uni-Viertel. Und abends dann noch eine ordentliche Party. Ausschlafen bis mittags. Schert keinen. Eine unglaublich freie, schöne und intensive Zeit.
CUT.
In der Realität saß ich da mit einem Kind im Kinderwagen, das eigentlich schon längst zuhause sein sollte, von wegen Mittagsschlaf und so, und das dann auch noch ein Mittagessen brauchte, das ich natürlich noch nicht vorbereitet hatte. Die Waschmaschine wollte geleert werden, Wäsche aufgehängt und das Bad musste auch dringend mal wieder geputzt werden. Parallel dazu warteten auch noch ein paar Job-Projekte, die fertig werden sollten, denn Geld verdienen muss man ja auch irgendwann. Partys hab ich auf jeden Fall schon lange keine mehr von innen gesehen, die kenne ich nur noch vom Hörensagen und von jenen Plakaten an der U-Bahn. Wann ich das letzte Mal so richtig betrunken war, weiß ich schon gar nicht mehr. Studentenleben geschieht für mich mittlerweile in einer anderen galaktischen Dimension.
Jaja, sagte N., das Uni-Leben ist auch nicht mehr das, was es früher war. Alles komplett verschult, man kommt den unsinnigen Vorlesungen überhaupt nicht mehr aus, weil man sich nicht unbemerkt ins Café verdrücken kann. Anwesenheitspflicht und Credit Points und was weiß ich. Alles schnell schnell, alles husch husch, keiner hinterfragt das System, alle werden nur durchgeschleust. Stress, stress, stress. Früher war alles besser.
Hach ja. Damals! Schnell wieder weg mit diesen Gedanken. Das Jetzt ist auch schön, ich will es niemals mehr missen. Die Studentenzeit ist ein Schatz, den wir für immer in unseren Gedanken tragen dürfen. Jetzt sind wir 10, 15 Jahre älter und wissen, dass das Leben manchmal mehr ist als eine Tasse Milchkaffee und 20 Seiten Seminararbeit.
Eine von N.s aktuellen Veranstaltungen heißt übrigens „Beziehungsethik“ – da werde über Beziehungen und Liebe und Sex gesprochen. Aha. Ist doch noch nicht alles verloren an der Uni.
PS. Ja, ich habe ein offizielles Loser-Fach studiert. Geschadet hat es mir nicht. Ich bin einigermaßen intelligent und habe es geschafft, doch so etwas wie eine ordentliche Berufslaufbahn hinzubekommen. Taxi fahre ich nur als Passagier. Aber das Schöne an meinem Studiengang war tatsächlich, dass wir einfach machen durften, was wir wollten. Dafür bin ich unendlich dankbar.
1 comment
Hahaha, ja genau, manachmal scheint es im Moment, als ob sich nichts geändert hätte – und dann kommt der Rest der Gegenwart um die Ecke. Saß in der gleichen Ecke mal wartend auf einer Treppenstufe und wurde nach dem Weg gefragt, fühlte mich jung, wie zu Studentenzeiten. Und hab eine vollkommen falsche Auskunft gegeben, weil eben seit x Jahren nicht mehr Student und deshalb überhaupt keinen Plan ;-) Liebe Grüße