Island ist ja momentan total hip. Habe ich mir zumindest sagen lassen, denn ich war leider noch nie dort (obwohl ich seit Jahren hin will). Deswegen habe ich mich auch direkt hinreißen lassen, mal wieder ein Buch in einem Rutsch durchzulesen. „Ganze Tage im Café“ spielt nämlich in Reykjavik und Umgebung und stammt aus der Feder der isländischen Autorin Sólveig Jónsdóttir. Um es gleich vorweg zu sagen: Ich mag das Buch. Es ist so ein bisschen Sex and the City auf Skandinavisch, wobei die Charaktere jünger sind als ihre New Yorker Verbündeten im Geiste, Ende 20 allesamt. Und „Ganze Tage im Café“ verbringt auch keiner, weswegen der Titel eigentlich komplett irreführend ist, das Buch hätte durchaus einen cooleren Leitspruch verdient.
Es geht um fünf junge Frauen und ihr Leben im grauen isländischen Winter, um Liebe und Beziehungen und das Ende von beidem und manchmal auch um den Beginn davon. Um alkoholgetränkte Nächte und Eskapaden, die jeder von uns kennt, weil er sie in dem Alter genauso auch mal durchgemacht hat, vielleicht nicht im Szeneviertel Reykjavik 101, sondern halt in Braunschweig oder Göttingen oder Bamberg oder sonst wo.
Die eine hat eine Affäre mit ihrem Professor, die andere wird von ihrem Freund gegen eine Neue ausgetauscht, die dritte erwischt ihren Mann beim Fremdgehen mit einer, die sich im nächsten Kapitel direkt als weitere Protagonistin entpuppt. Die vier kennen sich nicht direkt, laufen sich aber immer mal wieder über den Weg. Reykjavik ist klein. So erzählt das Buch das Leben einer jeden in einer separaten Geschichte, der Leser kann aber natürlich die Verbindungen herauslesen, so dass sich die Teile dann doch zu einem Ganzen zusammenfügen. Vielleicht ist es die Schwachstelle des Buches, dass diese vier Mädchen im Laufe der Erzählung nicht doch zusammenfinden, wie man es vielleicht erwartet hätte. Andererseits gibt das dem Buch auch einen besonderen Dreh und bewahrt die Geschichte davor, allzu schnulzig zu werden.
Denn was bleibt, ist am Ende irgendwie ein bitterer Geschmack. Das Leben geht weiter und es findet neue Wege. Irgendwann wird es auch in Island Frühling und die ewige Dunkelheit hat erst einmal ein Ende. Aber ein wirklich glückliches Ende findet keine der Lebensgeschichten. Alles bleibt offen. Und das tut dem Buch ungemein gut, wie ich finde. Denn so kann das Leben sein: Hart und gemein und manchmal ganz schön kalt. Wie der Winter in Island.
Sólveig Jónsdóttir: Ganze Tage im Café. Insel Verlag, 2014.