Dieser Text ist im Rahmen meiner Mama-Kolumne im Zwergerl Magazin erschienen. Dort erzähle ich in jeder Ausgabe aus dem Leben mit drei Kids, dem täglichen Wahnsinn und den wunderbaren Momenten als Mama.
Kürzlich sagte eine andere Mutter zu mir: „Ich kenne da diese Familie, deren Kind kann sich stundenlang alleine beschäftigen. Dabei ist das auch erst eins.“ Während dieser Unterhaltung standen wir auf dem Spielplatz und versuchten mal wieder diesen Mama-Spagat: Unsere beiden eineinhalbjährigen Kinder so unter Kontrolle zu halten, dass sie nicht kopfüber von der Rutsche stürzen und gleichzeitig ein Mindestmaß an Konversation zu betreiben. Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, dass dieses Vorhaben zum Scheitern verurteilt war.
Kurz danach holten wir die großen Kinder vom Leichtathletik-Training ab und es war wie immer: Wild gewordene Kids (also unsere) sprangen kreuz und quer herum, die Kleinen störten mal kurz den 800-Meter-Lauf der Großen, weil sie einfach auf die Bahn gerannt waren und ich dachte an dieses Kind, das angeblich die ganze Zeit friedlich buddelnd in der Sandgrube hockt und niemals, nein niemals, auch nur einen Pieps von sich gibt.
Kinder, die „Danke“ und „Bitte“ sagen
Es ist das Idealbild, das man als Eltern gerne mal im Kopf herumträgt: Wohlerzogene und höfliche Kinder. Sagt man zu ihnen etwas, dann machen sie das, um was man sie bittet. Sie sagen „danke“ und „bitte“ und stehen erst vom Abendbrottisch auf, wenn alle fertig sind. Mit diesen Kindern kann man auch wunderbar ins Restaurant gehen, denn sie sitzen einfach da, essen alles, meckern nie und Gläser werfen sie auch nicht um. Ob es diese Kinder wirklich gibt? Ich glaube schon, zumindest habe ich schon Kinder erlebt, die in der Öffentlichkeit den Anschein erweckt haben, genau so zu sein.
Wie es anders gehen kann, sehe ich dann wieder im realen Leben. Unserem realen Leben. Da wird gekippelt und gehibbelt, Ohren verschließen sich immer dann, wenn man etwas Wichtiges will und die Muttersprache wechseln geht auch sehr schnell. Zumindest denke ich das, weil sie urplötzlich kein Deutsch mehr verstehen. Zumindest jenes, das ich spreche. Bei uns passiert es, dass wir nach Hause kommen, vor der Tür stehen und ich sage: „Bitte nicht klingeln, der kleine Bub schläft noch.“ Natürlich wird sofort der Klingelknopf gedrückt. Und zwar im Sturmklingel-Modus.
Hier herrscht Flummi-Alarm
Meine Kinder laufen nicht, sie rennen. Wenn sie aufgeregt sind, hüpfen sie auf und ab wie Flummis und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt haben, dann werden sie laut und, ja sorry, ich muss das leider so sagen, auch mal nervig. Wenn ihnen etwas nicht schmeckt, ziehen sie einen Flunsch und würden sich eher den Mund zunähen lassen, als wenigstens mal zu probieren. Natürlich warten sie nicht, bis alle mit dem Essen fertig sind, bevor sie aufstehen.
In solchen Momenten denke ich an Jesper Juul, an bindungsorientierte Erziehung und all die anderen guten Tipps, die man so kennt aus Ratgebern und aus dem Netz, von Eltern, deren Kinder immer toll in der Sandkiste spielen und niemals aufstehen um herumzurennen. Und wenn sie es tun, dann begegnet man ihnen auf Augenhöhe und alles ist wieder fein. Ich hingegen verspüre regelmäßig eine gewisse Hilflosigkeit, wenn ich zum zehnten Mal ganz ratgeberkonform sage: „Ich finde das nicht gut, was du gerade gemacht hast. Lass uns bitte überlegen, wie es besser geht.“ Dreimal dürft ihr raten, wie das ausgeht. Vielleicht bin ich einfach unfähig, Erziehungstipps umzusetzen.
Schnauf mal durch, Mama …
Da hilft dann nur der gute Rat der Hebammen direkt nach der Geburt des ersten Kindes: In Stresssituationen erst einmal tief durchatmen. Wenn es sein muss, rausgehen. Gedanken sortieren. Das funktioniert nicht nur super bei schreienden Babys, sondern auch bei Kleinkindern in der Trotzphase, tobenden Grundschülern und vermutlich auch in ein paar Jahren bei pubertierenden Teenagern (ich freu mich da ja schon wahnsinnig drauf!).
Wenn dann in meinem Kopf und meinem Nervenkostüm alles wieder zurecht gerückt ist, schaue ich mir meine wilde Bande an und sehe Kinder voller Energie und Freude am Leben. Recht habt ihr, denke ich dann. Ihr werdet schon früh genug still sitzen müssen und euch anpassen an das, was man halt „so macht“ und wie man sich benimmt. Tief in meinem Herzen bin ich nämlich durchaus happy damit, Kinder zu haben, die auch mal wild und lebhaft sind.
Fürs Leben lernen
Denn ich weiß, dass man mit einem eigenen Kopf ganz gut zurechtkommt im Leben. Vielleicht sogar besser als die stillen Mäuse, die lieber zusehen als selbst zu machen. Und natürlich weiß ich schon, dass all die Erziehungsversuche irgendwann doch fruchten. Das sind dann diese Momente, die mich stolz und glücklich zugleich machen, gerade weil sie oft unerwartet passieren. So wie die Tage erst: „Mama“, sagte die Große da nach dem Abendessen und lächelte mich an, „gibst du mir deinen Teller, ich räum ihn weg.“ Und dann sind sie ohne Meckern und Drama zum Zähneputzen und ins Bett gegangen. Als hätten sie nie etwas anderes getan. Ich würde sagen: Alles richtig gemacht, Mama.
Mehr Gedanken zum Thema #wildkids findet ihr in diesem Text, den ich geschrieben habe, als ich noch Zweifach-Mama (mit Nummer 3 im Bauch) war. Seither hat sich wohl wenig geändert ;-) Und das ist vermutlich auch gut so. Habt ihr wilde Kinder? Oder sind sie eher ruhig?