Wer schon einmal einen Geburtsvorbereitungskurs besucht hat, weiß, dass es am Ende des Tages wenige Tabus gibt. Gebärstellungen, Dammschnitte und die Absonderung jeglicher Körperflüssigkeiten während der Geburt werden durchgesprochen. Hinterher ist man überzeugt, dass einen nichts mehr schocken kann (natürlich kommt dann sowieso alles ganz anders als in der Theorie besprochen).
Aber, was einem da niemand sagt, und worüber auch alle Freundinnen komischerweise eisern schweigen, ist die Tatsache, dass dein Körper, nachdem du den Wurm erst monatelang mit dir herumgetragen und dann herausgepresst hast, eine wahre Ruine ist. Man kann es nicht anders bezeichnen. Was vorher da mal war, egal wie trainiert und in Form, ist erst einmal dahin.
Beckenboden und Rückbildung sind ohnehin Worte, deren Bedeutung nur erkennt, wer schon einmal ein Kind auf due Welt gebracht hat. Für alle anderen bleibt das ein Abstraktum. Ich dachte, ich würde mit ein bisschen Gymnastik alles schon wieder hinbekommen und ging brav schon drei Wochen nach der Entbindung zu meinem Rückbildungskurs. Turnte parallel zuhause zu einer DVD, sagen wir mal, in zeitlich etwas größeren Abständen als vom der unglaublich fit wirkenden Trainerin empfohlen, aber nun ja, immerhin. Und wunderte mich, dass ich nach vier Monaten immer noch aussah wie ein fetter Klops und sich alles immer noch schwanger anfühlte. Der Bauch war labbrig, die Schenkel ein Meer aus Dellen, von meiner Kondition ganz zu schweigen.
Und wer auch immer behauptet, durch das Stillen würden sich die zusätzlichen Pfunde wie von selbst verflüchtigen: NEIN, dieser Jemand hat NICHT recht . Zumindest in Fällen wie dem meinen. Ich ging Langlaufen (sanfter als Joggen und praktischerweise gab es richtig viel Schnee in diesem Winter), machte meine Rückbildungsübungen, aß weniger, stillte viel, alleine, es half nichts.
Nach sechs Monaten unternahm ich den ersten Versuch, wieder zum Laufen zu gehen. Was soll ich sagen, es war ein Desaster. Ich musste feststellen, dass fünf Monate Rückbildungsgymnastik in meinem Fall nichts gebracht hatten, oder vielleicht war ich doch zu lasch gewesen dabei, wer kann das schon sagen. Ich war zwei Minuten gelaufen und hatte mir in die Hose gemacht, mein Beckenboden hatte seinen Dienst als Rückhaltemuskulatur für die Blase offenbar eingestellt. Meine Kondition war schon nach einer Minute aufgebraucht, ich schnaufte wie eine Dampflok und fühlte mich als liefe ich auf Eiern durch die vermatschte Landschaft am Isarufer. Jeder neue Versuch brachte neue Frustration. Ich war körperlich ein Wrack und ärgerte mich maßlos.
Niemand, wirklich niemand, hatte mich darauf vorbereitetet – aber, was passierte wohl, als ich das Thema offen ansprach? Ach ja, klar, ging mir genauso! Sagten plötzlich alle. Inkontinenz, Gewichtsprobleme, Dellen, Streifen, Kraterlandschaften an Po, Beinen und Bauch – ja das hatten die Mädels ALLE. Mal abgesehen von den paar Wundern der Natur, die zwei Tage nach der Entbindung quasi schon wieder aussehen als wäre nie etwas gewesen. Aber selbst die geben irgendwann zu, dass sich ihr Körper nicht mehr so anfühlt wie zuvor.
Nach neun Monaten (ich klammerte mich an die alte Hebammenregel: „Neun Monate kommt er, neun Monate geht er“) war mein Bauch leider immer noch ein rettungsringmäßiges Schwabbelgebiet. Ich fing wieder an, Pilates zu machen, knickte das Mami und Baby-Yoga, bei dem man eh nichts anderes tut als seinem Kind hinterherzurennen und es von anderen Kindern wegzuziehen, und ging wieder in „richtige“ Yogastunden. Endlich klappte es auch wieder mit dem Laufen. Zwar war es immer noch nicht wie früher und je nach Tagesform hielt meine Blase immer noch nicht die volle Laufrunde durch. Aber es wurde besser, genauso wie die Kondition.
Alleine auf der Waage wollte sich nichts tun. Ich ging sogar zur Ernährungsberatung, die mir eine Säure-Basen-Kur verordnete. Die Haut wurde straffer, ich fühlte mich fit und gut. Das sei doch das Wichtigste, sagte die Ernährungsberaterin. Bis heute habe ich aber kein weiteres Kilo verloren, obwohl ich versuche weniger und vor allem gesund zu essen. Von meinem Vor-Schwangerschaftsgewicht trennen mich immer noch etliche Pfunde.
Die Ernährungsberaterin sagt, ich solle mich nicht so sehr an der Waage festklammern. Beim Pilates halte ich jetzt schon wieder die volle Stunde durch ohne nach der Hälfte zusammenzubrechen. Ich fühle, dass mein Körper langsam wieder der alte wird. Dass ich wieder Kontrolle über ihn habe und mich nicht mehr dem Diktat irgendwelcher Hormone unterwerfen muss. Trotzdem bleibt das Gefühl, dass er nie wieder so sein wird wie er mal war.
Laut Traditioneller Chinesischer Medizin, habe ich gelesen, braucht es drei Jahre, um sich von Geburt und Schwangerschaft zu erholen. Kann also alles noch werden. In der Zwischenzeit mache ich noch ein bisschen Sport, esse meine Basentabs (und natürlich ganz viel Gemüse und Obst) und hoffe, dass ich eines Tages dann doch einmal die Baustelle für erledigt erklären kann.
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