Es gibt Themen, die wabern konstant durchs Eltern-Universum und immer wieder mal werden sie an die Oberfläche gespült. Das Thema der „alten Mütter“ ist so eins. Beziehungsweise die Frage: „Wann ist das beste Alter für eine Schwangerschaft und ein Kind?“ In letzter Zeit gab es gleich mehrere Texte zu dem Thema, über die ich gestolpert bin und die teilweise in meinen Augen etwas undifferenziert waren. Und nachdem mir das jetzt eben seit Tagen im Kopf herumgeht, will ich dazu mal was schreiben.
Erst kürzlich habe ich über meine Erfahrungen mit dem Ersttrimester-Screening berichtet und darüber, welche Rolle dabei gerade mein Alter gespielt hat. Denn ich war 38, als ich jetzt das dritte Mal schwanger wurde und mittlerweile bin ich 39. Biologisch gesehen ist das alt, um ein Kind zu bekommen. Spätestens ab 35 gilt man als risikoschwanger und das bekommt man zu hören und zu spüren. Bei meiner zweiten Schwangerschaft war das irgendwie noch nicht so, dabei war ich auch da schon 35 und bei der Geburt vom Bub dann 36. Aber jetzt, da die große böse 4 vor der Tür steht, ist es eben doch immer mal wieder ein Thema in meinem Umfeld, bei Ärzten natürlich und bei mir selbst auch.
Ehrlich gesagt ärgern mich auch solche Überschriften wie die des Artikels auf Mummy Mag:
„Mit über 30 ist es ein Lotteriegewinn, ohne Zutun schwanger zu werden!“
Der Titel erinnert mich an eine Situation, die ich mit Anfang 30 in einer Münchner Frauenarztpraxis hatte. Ich war auf der Suche nach einem neuen Gynäkologen, weil ich umgezogen war und nicht mehr durch die halbe Stadt fahren wollte, um zu meinem Arzt zu kommen. Ich hatte recht schnell einen Termin bekommen und ging noch vor der Arbeit dorthin.
Da saß ich dann einer Ärztin gegenüber, nur wenig älter als ich selbst. Sie fragte mich ein paar Dinge über mich als Person. Alles okay. Bis sie dann wissen wollte: „Möchten Sie Kinder haben?“ „Sicher“, antwortete ich. Und dachte dabei an: Irgendwann in den kommenden Jahren. Da guckte sie mich durch ihre randlose Brille an, zog ein wenig die Augenbrauen hoch und erwiderte: „Dann sollten Sie aber schnellstmöglich die Verhütung absetzen. In ihrem Alter ist das höchste Zeit. Wissen Sie denn nicht, wie lange es mit 30 bereits dauern kann, bis man schwanger wird?“
Nein, ich wollte kein Kind!
Wenn ich es mir recht überlege, rege ich mich heute noch über diesen Spruch auf. Mag ja sein, dass sie statistisch gesehen recht hatte. Aber ich war damals wirklich in keiner Art und Weise in der Situation, ein Kind haben zu wollen. Ich wusste ziemlich genau, dass ich JETZT keines haben wollte. Und ich hatte gerade von einer Freundin erfahren, die direkt nach Absetzen der Pille schwanger geworden war. Es war also klar, dass man solche statistischen Wahrscheinlichkeiten nicht verallgemeinern konnte.
Und wenn dir einer frühmorgens ins Gesicht sagt, dass du jetzt bitteschön hurtig mit der Familienplanung anfangen sollst, da wird es dir schon mal ganz anders. (Toppen lässt sich die Erfahrung immerhin von dem Spruch, den ich mir mit 24 von einem anderen Gynäkologen eingefangen habe: Ich sollte doch langsam zusehen, dass ich einen Mann fände, denn die guten wären in meinem Alter ja so langsam vergeben. WTF??)
Der Körper wird älter. Ja stimmt.
Also, um es kurz zu machen: Ich finde jegliche Einmischung in diese sensible Fragestellung extrem übergriffig. Ja, es gibt biologische Fakten. Ja, die Eizellen werden weniger. Ja, es klappt bei manchen nicht. Ja, es wird anstrengender, ein Baby auszutragen und zu haben. Ja, die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten und Fehlbildungen erhöht sich. Und ich will es nicht verschweigen: Natürlich merke ich es, dass ich ein paar Jahre älter bin als bei meiner ersten Schwangerschaft. Diese dritte ist nicht ganz unbelastet, ich werde bei Gelegenheit ein wenig mehr darüber erzählen. Aber drei Schwangerschaften und Geburten in sechs Jahren muss auch ein jüngerer Körper erstmal wegstecken. Das kommt ja immer auch auf einen selbst an und auf die körperliche Verfassung, in der man sich befindet.
Mein Weg. Vielleicht auch deiner. Oder auch nicht.
Ich bin gerne eine „alte Mutter“, wenngleich ich mich eigentlich gar nicht als solche sehe. Und anders ging es auch nicht. Weil ich es nicht anders wollte. Weil das mein Lebensentwurf war. Und weil ich finde, dass der das verdient hat, erzähle ich euch noch ein bisschen davon:
Mit 19 bin ich nach München gezogen, um zu studieren. Es war ein ziemlicher Sprung ins Ungewisse, denn ich kannte niemanden in München und ich kam vom platten Land in der Provinz. Sicher hat mich München mit seiner soften Gemütlichkeit und seiner Sicherheit und Sauberkeit ganz gut empfangen. Aber trotzdem war es aufregend. Und ich hab das sehr, sehr, sehr genossen. Ich habe unheimlich schnell Freunde gefunden, habe mich in Nullkommanix in eine komplette Stadtpflanze verwandelt und liebe es seitdem, mittendrin zu sein. Die Uni-Jahre waren toll.
Jung und frei. Die Zwanziger.
Ich habe viel gelernt in dieser Zeit. Ich habe viel ausprobiert und ich bin auch einige Male ziemlich auf die Schnauze gefallen. Als ich anfing mit dem Studium hatte ich einen Freund, mit dem ich seit der 10. Klasse zusammen war. Meine erste große Liebe. Sie hat sich zerrieben in meinem, in unserem neuen Leben. Und das war wichtig. Weil ich die Liebe austesten wollte und musste. Weil es einige Jahre gedauert hat, bis ich die nächste große Liebe traf und mit der bin ich heute verheiratet. Ich habe einige Frösche geküsst in dieser Zeit und denen bin ich im Nachhinein sehr dankbar.
Ein Kind wäre in dieser Zeit unvorstellbar gewesen. Ich musste mich ja erstmal selbst finden.
Ausland. Job. Richtig erwachsen werden.
Mit Mitte 20 war ich dann nach dem Studium einige Zeit in den USA und ich würde mit Fug und Recht behaupten, dass das eine meiner verrücktesten Zeiten überhaupt war. Ich wohnte zusammen mit einer etwas ausgeflippten TV-Produzentin in West Hollywood und in unserem Haus waren Partys an der Tagesordnung. Oder wir gingen auf welche. Zu Charity Partys in die Mansion von Liz Taylor. In riesige Anwesen in den Hollywood Hills, wo ich nach stundenlangem Small Talk mit dem Gastgeber herausfand, dass der ein megabekannter Serienpromi in Amerika war (und mir es extrem peinlich war, was für einen Schrott ich ihm an die Backe gelabert hatte). Wir fuhren auf dem Highway No 1 nach San Francisco und besuchten Freunde in New York. Wir saßen nächtelang im Garten und quatschen über unsere Träume und Ziele.
Zurück kam ich als jemand, dem klar geworden war, was er wollte im Leben.
Dann begann ich zu arbeiten und es war eine sehr intensive Zeit. Viel Arbeit, viele Erfahrungen. Viele Reisen. Ich arbeitete als PR Managerin für einen Reisekonzern. Ich schrieb Texte über ferne Länder. Ich bereiste sie. Tempelanlagen in Sri Lanka. Die Wellen von Hawaii. Hippie-Orte irgendwo im Nirgendwo von Texas. Die Wildnis Kanadas. Dieser Job war für mich mehr als ein Job. Weil ich das tun konnte, was ich am meisten liebte. Reisen. Neues entdecken. Die Welt kennenlernen. Und auch privat reisten wir so viel wir konnten. Asien, Australien, Afrika. Ohne diese intensive Zeit würde mir etwas Entscheidendes fehlen.
Jetzt eine Schwangerschaft? Es passte noch nicht.
Aber es wurde. Ich war Anfang 30, da beschlossen wir zu heiraten. Im September vor sechs Jahren wurde ich Frau W. Und als wir 3 Monate später von unserer Hochzeitsreise zurückkamen, war ich schwanger. So schnell kann es gehen. Ich habe keine jahrelangen Anläufe gebraucht. Und kein „Zutun“. Zwei Wochen Seychellen haben ausgereicht. Die zweite Schwangerschaft kam genauso schnell. Wir wollten ein zweites Kind und das recht bald nach dem ersten. Zwei Monate nach diesem Entschluss, wieder damit anzufangen, war ich erneut schwanger. Ohne „Zutun“. Und diesmal sogar ohne die Seychellen.
Und plötzlich ist da noch eine Nummer 3.
Aber da nagte etwas. Wenn ihr hier öfter mitlest, kennt ihr vielleicht meinen Text über unsere Nummer 3 und die schwierige Entscheidung dafür, noch ein Kind zu bekommen. Nun, unser Zögern in dieser Frage scheint das Schicksal als Herausforderung angenommen zu haben. Dieses Mal haben wir es nämlich gar nicht forciert. Ich dachte sogar, ich könne in diesem Zeitraum gar nicht schwanger werden. Aber das Leben sucht sich seine Wege.
Anfang Mai hielt ich einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen und konnte es erst kaum glauben. Wieder ohne „Zutun“. Ohne nix. Einfach so passiert. Und da stehen ich nun eben, mit meinen bald 40 Jahren und werde bald zum dritten Mal Mama sein.
Warum ich das jetzt alles erzähle? Nun, weil ich denke, es tut gut, persönliche Geschichten zu lesen, auch bei diesem Thema. Sicher: Jeder entscheidet selbst über sein Leben und das ist gut so. Mein Weg mag für mich gut gewesen sein, für andere passt er gar nicht. Es wäre ja auch bekloppt, wenn alle immer alles gleich machen würden.
Es gibt so viele Gründe …
Es gibt unzählige Gründe, mit dem Kinderkriegen noch zu warten. Ich kenne viele tolle und toughe Frauen, die mit beiden Beinen im Leben stehen und unglaublich gerne ein Kind hätten. Sie haben nur keinen passenden Mann. Weil die vielleicht doch nicht so einfach zu finden sind. Vielleicht sind sie ja wirklich alle schon vergeben, wie mit der Frauenarzt damals schon weismachen wollte. Oder es klappt tatsächlich nicht. Ich kenne ebenso Frauen, die nur mittels einer Kinderwunschbehandlung schwanger wurden. Vielleicht lag es am Alter. Vielleicht auch nicht. Vielleicht am Mann. Vielleicht an was ganz anderem.
Es gibt genauso viele Gründe dafür, früher welche zu bekommen. Entscheidend ist ja nicht das, was andere drüber denken. Wichtig ist doch, was für einen selbst passt. Natürlich wäre es schön, wenn man sich auch überhaupt nicht rechtfertigen müsste, egal ob man mit 21 ein Kind bekommt oder mit 42. Blöd geguckt wird immer irgendwie aus irgendwelchen Gründen.
Und sicher wäre es schön, wenn es möglich wäre, dass man auch mit Mitte 20 Eltern werden kann und dabei abgesichert ist, weil auch der Arbeitsmarkt die Möglichkeiten dafür schafft – so wie es der Mummy Mag Artikel thematisiert. Aber das darf ja jetzt nicht auf Kosten der Frauen gehen, die später mit dem Kinderkriegen starten und ich sehe uns Blogs und digitale Familien-Plattformen durchaus auch in der Rolle, Ängste und Unsicherheiten zu nehmen, statt sie zu schüren.
Das Timing ist genau das richtige. Für mich.
Ich weiß zumindest für mich selbst, dass meine Kinder – alle davon – zur genau richtigen Zeit kamen. Weil sie kamen, als ich bereit dafür war. Nicht nur aus finanzieller Hinsicht. Sondern vor allem, weil ich als Mensch, als Frau bereit war. Ich vermisse die Trips in die Südsee nicht. Ich vermisse es nicht, spontan mal nach New York zu fliegen. Ich vermisse es nicht, mir in den Clubs die Nacht um die Ohren zu hauen und erst im Morgengrauen wieder rauszutorkeln. Ich vermisse es nicht, mit Männern zu flirten und diesen Nervenkitzel zu spüren, den das erste Date verursacht. Ich vermisse es nicht, im Ausland zu leben oder in einer aufregenderen Stadt als dem behäbigen München.
Weil ich das alles schon hatte.
Und weil ich weiß: Ich bin angekommen. In meiner Rolle als Mutter. In mir selbst. Die nächsten Jahre gehören meinen Kindern. Und das ist gut so. So wie andere Jahre etwas anderem gehört haben.
Das Alter? Ist doch gar nicht das Wichtigste.
Denn wir sind Mütter. Wir tragen unsere Kinder 9 Monate lang in unserem Bauch. Wir bringen sie auf die Welt, unter größten Schmerzen, die gleichzeitig das größte Glück bedeuten. Wir halten sie in ihren ersten Lebensminuten und in so vielen Stunden danach. Wir wiegen sie in den Schlaf und pusten böse Träume weg. Wir versorgen Wunden und pflegen Fieberkinder wieder gesund. Wir lachen und weinen mit ihnen, wir schimpfen und toben. Wir begleiten und umsorgen sie und alles, was wir wollen ist, sie zu beschützen und ihnen den Weg zu zeigen, den sie eines Tages alleine weitergehen werden.
Wer weiß, wie sich das anfühlt, der ist einfach erst einmal eine Mutter. Egal ob wir 20, 30 oder 40 sind, wenn wir sie bekommen. Entscheidend ist, was wir draus machen. Und nur das zählt.
PS: Natürlich gehört zu jedem Kind auch immer ein Vater. Und die Diskussion, warum man immer nur auf das Alter der Mutter guckt, ist nochmal eine ganz eigene. Das Fass mag ich hier jetzt auch gar nicht aufmachen. Und deswegen geht es hier in erster Linie jetzt mal um mein Empfinden als Frau.
Wie alt wart ihr als ihr eure Kinder bekommen habt? Erzählt doch mal!
Photo by Dakota Corbin on Unsplash.
1 comment
Schön geschrieben der Text. Ich bin jetzt 37 und wir planen eigentlich kein weiteres Kind, aber wenn es doch passieren sollte, dann wäre ich schon etwas aufgeregt, ob alles reibungslos läuft.
LG Anke