So langsam wird es greifbar. Offiziell sind es noch drei Wochen bis zum Entbindungstermin. Und irgendwie war alles bisher noch so weit weg. Aus neun Monaten wurden acht. Wurden sieben. Wurden sechs. Der Bauch fing an zu wachsen, ein „magic moment“, endlich sah man etwas, fühlte etwas, konnte sich schwanger fühlen.
Die Wochen vergingen, neue Ultraschall-Bilder kamen. Wunderschöne Gefühle. Zum ersten Mal das kleine Gesicht im 3D-Bild! Wir waren sicher: Er sieht genauso aus wie seine Schwester. Der Bauch wuchs weiter und wurde von einer kleinen zu einer großen Kugel. Wir fuhren in die Berge und ich ging mit Bauch umher, merkte, dass es nicht mehr so einfach war. Die Nächte fingen an, beschwerlicher zu werden, Rückenschmerzen, Bauch im Weg, das ganze Programm.
Der Sommer ging, der Herbst kam, Wiesn-Zeit in München, zwei Wochen Voll-Wahnsinn in den Straßen. Die letzten großen Projekte vor dem Abschluss und jetzt noch fix ein paar Termine machen, für die man dann monatelang wieder keine Zeit hat. Kosmetik, Massage, Nägel.
Der Nestbautrieb setzte wieder volle Hütte ein – unglaublich was die Natur so alles vorgesehen hat. Heutzutage freuen sich die Online-Shops über die angehenden Mütter, die wie im Rausch so vieles bestellen. Schlafsäcke, Heizstrahler, Strampler, Möbel. Die To-Do-Liste wurde langsam kürzer, man selber immer schlapper. Ach, wie gerne würde man zwischendurch einfach mal schlafen. Geht leider nicht, denn da ist ja noch ein großes Kind, und das will von der Krippe abgeholt werden und abends ist es quengelig und heult, weil der Papa immer noch nicht da ist und man selbst heult fast mit, weil so langsam alles so anstrengend wird.
Der kleine Mann im Bauch zappelt und tritt, der Rücken schmerzt, die Beine fühlen sich wieder an wie die eines Elefanten und die Ringe an den Fingern passen so langsam nicht mehr. U-Bahnfahrten werden zur Hölle, größere Menschenansammlungen sowieso. Die Projekte ziehen sich, Freigaben fehlen noch. Im Hinterkopf ist immer dieses eine, große Datum, wie festgetackert, dieser ominöse „ET“, von dem ich mich zu Beginn der ersten Schwangerschaft immer fragte, was das denn wohl sei, so ein „ET“.
Und doch, irgendwie war alles immer noch so beinahe irreal. Komisch eigentlich. Man weiß es und alles führt darauf hin, alle Termine werden danach abgestimmt, aber irgendwie fehlt diese letzte, große Erkenntnis, die das Ganze plötzlich so greifbar macht.
Und dann, letzte Woche, traf es mich wie ein Blitz. Vor dem Kreißsaal in der Entbindungsklinik, als ich dort zur Anmeldung war. Bis 37+0 sollte er noch drin bleiben, dann könne er gerne kommen, sagte die Ärztin . 37+0, das war gestern. Offiziell ist er nun ein „fertiger“ Mensch. Das, was mal ein 2mm großer Punkt auf dem allerersten Ultraschallbild war, ist nun ein Baby mit allem dran. Bald werde ich es im Arm halten und ich freue mich wahnsinnig darauf.
Und gleichzeitig habe ich Angst. Bei jedem Ruckeln im Bauch frage ich mich, ob das jetzt die Vorboten sind. Oh Gott, oh Gott, komme bloß nicht jetzt schon, es ist doch noch gar nicht alles durchgestrichen auf der To-Do-Liste. Und wie machen wir das denn, wenn es mitten in der Nacht los geht? Wo stecken wir die kleine Madame hin? Hoffentlich schaffen es die Großeltern rechtzeitig. Können wir die Kleine vielleicht zur Not mit in die Klinik nehmen? Und wie wird das sein, der Alltag mit zwei Kindern?
Krasse Gedanken, die einem da durch den Kopf jagen. Alles, was sich im letzten Jahr so schön eingegroovt hat, wird wieder auf Anfang gestellt. Die vielen kleinen Freiheiten, die da plötzlich waren, seit die Madame in die Krippe geht und das mit dem Babysitten und den Großeltern grade so gut klappt. Wieder ab und zu ausgehen am Abend. Sich mit Freunden treffen. Sport machen. Alles wieder weg für die nächsten Monate. Natürlich ist das gewollt. Natürlich werde ich es lieben, mich um meine dann zwei Kinder zu kümmern. Zum Italiener können wir auch nächstes Jahr noch gehen. Und trotzdem, ich bekomme sie nicht weggeschaltet, diese Gedanken.
Alles vermischt sich. Wie wird die Geburt sein? Was ich vom letzten Mal noch ziemlich genau weiß, war der erste Gedanke danach: „Nie wieder!“ Und jetzt also doch wieder. Schmerzen. Völlige körperliche Erschöpfung. Das Gefühl, die Kontrolle über seinen eigenen Körper zu verlieren, diese Urkräfte, die plötzlich über einen hinwegfegen. Ich freue mich so sehr darauf, wieder Leben zu schenken. Aber ich bin auch voller Respekt davor.
Und gleichzeitig bin ich plötzlich so traurig, weil die Zeit der Schwangerschaft dann schon wieder vorbei ist. Diese magische Zeit, in der man so viele Gefühle durchmacht, so viele Momente des Glücks erlebt. Niemals ist man so eng verbunden mit seinem Körper wie in der Schwangerschaft. Jeder Tag bringt Veränderung. Ich liebe meinen Bauch, und ich bin traurig, dass es bald schon wieder weg sein wird.
Ich bekomme dafür etwas Neues. Ein Baby. Einen kleinen Bruder für die große Schwester. Und ich hoffe, dass die beiden zu einem guten Team werden. Und ich weiß jetzt schon, dass ich die ersten Monate des Kleinen wieder mit einem lachenden und einem weinenden Auge erleben werde. So viel Glück. Und gleichzeitig so viel Veränderung. Aus dem winzigen Säugling wird ein großes Baby wird ein Kleinkind, das laufen kann und sprechen, das einen eigenen Willen entwickelt. Das in die Krippe geht und bald schon in den Kindergarten und dann irgendwann in die Schule. Kinder sind das größte Glück, das man erfahren kann und gleichzeitig zeigen sie uns wie im Zeitraffer, wie vergänglich die Zeit und dieses Glück sind.
Und wo ich das so alles denke, und bevor ich Pipi in den Augen bekomme (natürlich sind das wie immer nur die Hormone!), weil ich meine Gedanken gerade selbst so rührend finde, finde ich hiermit mal rasch ein Ende. Denn eigentlich sollte man nur an eines denken. Dass jeder Tag, jede Minute einfach kostbar ist. Mit Kindern oder ohne. Baby-Bauch hin oder her. Alles findet seinen Weg. Und ich freue mich, auf das, was kommt. Sehr.