Zwischen den Jahren, lese ich gerade überall, das ist die Zeit der Ruhe. Endlich mal nichts tun müssen. Oder eben das, was man eigentlich immer tun möchte, aber immer verschiebt. Weil es nicht so wichtig ist. In Bayern ist das auch die „stade Zeit“, also eben genau das. Die ruhige Zeit. In der man mit den Kindern Geschichten liest und rausschaut, wie die Schneeflocken tanzen (im besten Fall) oder (wie heute) die Regentropfen gegen die Scheibe knallen. In der man den Kamin anzündet und einfach einmal nur ins Feuer schaut. Minutenlang. Vielleicht sogar stundenlang.
Wann macht man das denn sonst? Nie.
Und so sind diese Tage zwischen Weihnachten und Neujahr, oder vielleicht auch die bis zum Dreikönigstag am 6. Januar, so schön. Weil sie so wunderbar aus der Zeit gefallen sind. Weil niemand anruft, niemand Mails schreibt, weil niemand drängelt und weil man endlich mal eines nicht muss. MÜSSEN.
Und so vergehen die Tage in diesem wohlig-leichten Gefühl des Nichtstuns, bevor es uns Anfang Januar dann wieder packt, weil wieder alles auf einmal erledigt werden will. Weil der süße Stillstand ruckartig beendet wird und das Rad sich wieder anfängt zu drehen. Noch aber sind wir nicht soweit. Noch legen wir uns zurück und tun Dinge, die uns sonst nie einfallen würde. Mittagsschlaf halten vielleicht. Wann habt ihr das zum letztem Mal getan?
Die Rauhnächte: Aus der Zeit gefallene Tage
„Zwischen den Jahren“ heißt aber nicht nur abschalten. Zwischen den Jahren ist noch viel mehr. Es ist das Gefühl einer besonderen, einer spirituellen Zeit. In Bayern und in den Alpen (wie auch in vielen anderen Teilen Europas) gibt es die Tradition der Rauhnächte. Das sind die Nächte zwischen Heiligabend und dem 6. Januar und sie sind besonders. Zwischen den Jahren bedeutet nämlich auch: Es gibt eine Differenz zwischen der Anzahl der Tage des Mondjahres mit seinen 354 Tagen und des Sonnenjahres. Diese 11 Tage und 12 Nächte sind es, die die Rauhnächte ausmachen. Tage und Nächte, die wortwörtlich aus der Zeit gefallen sind und in denen Geister und Dämonen ihr Unwesen treiben. In der Silvesternacht dann naht der Höhepunkt, denn die Wilde Jagd bricht auf und treibt bis zum Dreikönigstag ihr Unwesen, bevor sie dann wieder in der Schattenwelt verschwindet.
Magische Zeiten
Und so sind die Rauhnächte die Zeit, in der das Tor zu dieser anderen Welt weit offen steht. Mögen es auch finstere Mächte sein, die sich darin verbergen, so ist diese Zeit doch auch im positiven Sinn eine magische Zeit. Es ist eine Zeit, in der wir uns auf das Ursprüngliche besinnen. Und man muss gar nicht mal besonders gläubig oder spirituell sein, um darin einen Sinn zu erkennen. Denn was ist es denn, was wir tun, wenn wir uns darauf besinnen, was uns gut tut: die Familie, die Kinder, unser eigenes Wohlbefinden.
Und damit ist „Zwischen den Jahren“ so viel mehr als einfach nur „Weihnachtsferien“. Es ist der Blick in uns selbst und in eine Welt, in der wir einmal getrost auf alles verzichten können, was uns sonst umtreibt.
Kein Müssen. Ein Können. Und ein Wollen.
Wenn ihr morgen Abend einen Böller in den Himmel schießt, dann denkt ihr vielleicht kurz daran, dass auch diese Tradition ihre Wurzeln genau dort hat. Das Böse zu vertreiben. Die Wilde Jagd in ihre Schranken zu weisen. Und den Weg in ein neues Jahr zu bereiten, in dem Glück und Licht herrschen.
Und vielleicht auch daran zu denken, jene entspannte Stimmung aus dieser Zwischenzeit mit ins neue Jahr zu nehmen, damit wir davon noch ein bisschen zehren können, wenn der Alltag uns wieder fest im Klammergriff hat.
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