Nach mehr als 20 Jahren in München ist demnächst Zapfenstreich. Ich verlasse doch tatsächlich mein Viertel. Meine Lebensader, mein Dorf in der Stadt, meinen Mittelpunkt. Wir ziehen „raus“, wie so viele, und das hat natürlich gute Gründe. München ist wunderschön und ich liebe es bedingunglos, seitdem ich als 19-jähriges Provinzküken hier ankam.
Aber München kann auch ganz schön hässlich sein. Laut. Eng. verstopft. Auf alles muss man warten, Listen ausfüllen, sich mit anderen Leuten drängeln. Ständig ist irgendwo eine Baustelle, nicht zuletzt auf unserem Hausdach und das seit zweieinhalb Jahren (wird wohl auch nie fertig, scheint es). Und da gab es eine Oma und ein Grundstück und diese Gelegenheit darfst du dir in einer Stadt, in der eine 3-Zimmer-Wohnung mittlerweile gerne mal 1 Mio plus x kostet, nicht entgehen lassen.
Für mich bedeutet das aber schon eine ziemliche Umstellung, denn gerade weil ich als Dorfkind aufgewachsen bin, bin ich in München ziemlich schnell zur Hardcore-Stadtpflanze mutiert. Seit zehn Jahren lebe ich im Glockenbachviertel zwischen Innenstadt und Isar und dachte immer, hier geh ich nie wieder weg. Wie man sich dann doch auch mal irren kann, nicht wahr?
Meine Gedanken und Erlebnisse rund um den Umzug und das neue Zuhause könnt ihr ab sofort in loser Folge hier nachlesen. Mit dabei ist meine Blogger-Kollegin Nadja von Mama im Spagat – die hat den Umzug von der Stadt ins Umland nämlich gerade hinter sich gebracht und hat vielleicht noch ein paar gute Tipps für mich. Heute muss ich ihr erst mal mein Herz ausschütten. Ich hab nämlich Abschiedsschmerz.
Liebe Nadja,
so langsam wird das alles hier greifbarer. Die ersten Umzugskisten stehen rum, gefüllt mit all dem Kram, den wir in den kommenden Wochen garantiert nicht brauchen werden. Dicke Mütze und Schals beispielsweise. Eigentlich wollte ich das vermeiden, dass überall schon Kisten rumstehen, weil einen da so die Umzugsunruhe überfällt, finde ich. Und ich will die letzten Wochen in der Stadt doch noch genießen und nicht schon in einer totalen Rumpelkammer wohnen. Aber andererseits hatte ich auch so einen gewissen Drang, einfach mal anzufangen. Wie war das denn bei euch, wann habt ihr mit dem Packen angefangen?
Seitdem wir aus dem Urlaub zurück sind, bin ich sowieso in so einer ganz komischen Stimmung. Das ändert sich minütlich von „Ich bin total aufgeregt, bald in ein eigenes Haus zu ziehen“ hin zu „Oh nein, das hier ist doch mein Zuhause, ich will hier nicht weg!“ Ich lebe seit ziemlich genau zehn Jahren im Glockenbachviertel und in genau dieser Wohnung. Als wir hier einzogen waren wir ein Paar Anfang 30, dessen Leben zwischen Job, Urlauben, Hobbys und Ausgehen verlief. Und jetzt sind wir Eltern dreier wunderbarer Kinder … ich glaube es ist nicht vermessen zu sagen, dass ich hier die bisher prägendsten Jahre meines Erwachsenenlebens verbracht habe. Das macht es glaube ich auch so schwer, von hier wegzugehen. Weil alles mit so vielen Erinnerungen verknüpft ist. Mit so vielen besonderen Momenten.
Andererseits, du weißt es ja selbst: Die Alternative ist schon verlockend. Ein Haus. Sogar mit Garten! So etwas hatte ich noch nie, seitdem ich damals ausgezogen bin, um als kleines Landei in die große Stadt zu ziehen. Ich habe ein bisschen Angst, dass mir da dann die Decke auf den Kopf fällt. Ich liebe es so sehr, einfach rauszugehen und alles um mich zu haben.
Hattest du auch diese Zweifel, ob das alles wirklich gut ist, so wie es ist? Sicherlich ist das eher eine rhetorische Frage – in einer 3-Zimmer-Wohung mit drei Kindern, das geht irgendwann einfach nicht mehr. Wobei, es geht immer irgendwie. Aber ich will es nicht mehr. Die Stadt macht mich tatsächlich zunehmend müde. Das merke ich aber immer erst dann, wenn ich rausfahre. Die zweieinhalb Jahre, in denen wir am Wochenende und in den Ferien immer an den Schliersee pendeln, haben mir das sehr deutlich gemacht. Dass „draußen“ eine verdammt gut Lebensqualität herrscht. Abgesehen davon könnte ich dir jetzt auch nicht sagen, wann ich hier die letzte Kneipentour durchs Viertel gemacht habe. Ich befürchte, das war an meinem Jungesellinnenabschied vor immerhin sieben Jahren.
Das Leben verändert sich, Perspektiven ändern sich und meine Perspektive heißt: Ich ziehe raus. In nicht mal einem Monat bin ich weg. Witzigerweise kam einer der ersten Menschen, die ich in München kennenlernte, als ich herzog, aus Freising. Da, wo ich jetzt hingehe. Ich freu mich drauf. Und schlucke jetzt mal ganz schnell den dicken Kloß herunter, den ich im Hals habe.
Wie geht’s dir denn so im neuen Heim? Habt ihr euch schon gut eingelebt? Klappt das mit dem Kindergarten und so? Und hast du Tipps was ich gegen diesen verdammten Knödel im Hals machen kann?
Sei ganz lieb gegrüßt
Petra
Hier geht’s weiter …
Nadjas Antwort auf meinen Blog-Brief könnt ihr bei ihr auf Mama im Spagat nachlesen. Dort berichtet sie, wie es in ihr den ersten drei Monaten in Weilheim (krass wie schnell die Zeit schon wieder vergeht) ergangen ist und welche Tipps sie so gegen den Umzugsstress und den Abschiedsblues hat.
2 comments