Silvester ist echt nicht so mein Ding. Ich habe schon unzählige „Partys“ über mich ergehen lassen, die stinklangweilig waren. Jedes Jahr aufs Neue die Frage: Und was machst du denn so an Silvester? (gerne gestellt am 30. Dezember abends um 18 Uhr). Nun haben wir Kinder und das macht das Ganze nicht einfacher. Mit einem Kind ist es schon schwierig, mit zweien fast unmöglich. Zumindest in dem Alter, in dem unsere Kinder sind (2 Jahre und 7 Wochen). Der Kleine würde ja einfach pennen und ab und zu gestillt werden. Aber die Große braucht einen Schlafplatz.
Also muss man dahin gehen, wo es einen gibt. Und dann mitten in den Nacht aufwecken und wieder durch die halbe Stadt zerren, in der an Silvester mitunter kriegsähnliche Zustände herrschen? Hm. Also dort schlafen. Alle unsere Freunde, die in der Stadt wohnen (inklusive uns), sind räumlich ein bisschen begrenzt. Mit zwei Kindern gerät man ans Limit, was die Verfügbarkeit von Gästezimmern angeht. Hm.
Also irgendwohin fahren, wo wir sowieso schon lange mal hinwollten. Wenn schon über Nacht, dann richtig! Meine gute Freundin A. wohnt mit ihrer Familie (Mann und kleinem Sohn) seit vergangenem Sommer in Freiburg im Breisgau. Tolle Stadt. Und praktischerweise wohnen meine Eltern nur 45 Minuten entfernt. Kann man also beides verbinden: nachweihnachtlicher Elternbesuch und endlich mal die Freundin besuchen. Heißt: Silvester in Freiburg. Und, was soll ich sagen, es war eines der lustigsten die ich jemals hatte.
Und das kam so:
Die Muttis hatten vereinbart, sich schick zu machen und statt des üblichen Fondue-Raclette-Gedöns ein edles Menü zu kochen. Der Tisch ist bereits um halb 6 perfekt gedeckt. „Schaut aus wie bei richtigen Erwachsenen“, meint A. stolz. Ja genau. Richtige Erwachsene. Mit Kindern sogar.
Und die machen unseren „Zeitplan“ gleich mal zunichte. Erst bockt der eine, dann muss die andere gewickelt werden, Das Baby gestillt. Spuckerei. Wieder Windeln wechseln. Geschrei. Dazwischen Küchenvorbereitungen im Bratenqualm. Schick machen dauert unfassbar lange, weil einen der Mutti-Alltags-Schlonz-Look nicht lehrt, wie man mit einem Lockenstab umgeht. Endlich fertig. Aus dem Wohnzimmer erschallt inzwischen laute Elektromusik. Die Männer: Ebenso schick. Anzug! Hosenträger! Wow! Wir wechseln passenderweise zu Zwanzigerjahre-Musik. Das Ganze fängt an Spaß zu machen.
Um halb zehn (!) essen wir endlich die Appetizer (die seit 19 Uhr rumstehen). Die Kinder haben davor schon Spätzle vom Vortag in sich reingejagt. Dann die Artischocken (wann zum Teufel isst man bitteschön jemals ARTISCHOCKEN?!). Dazwischen: erstes Kind ins Bett bringen. Dann die Karotten-Orangen-Suppe. Gefolgt von gemischtem Salat mit gebratenem Zander. Zweites Kind ins Bett bringen. Dazwischen noch das Baby stillen. Den Hauptgang schaffen wir nicht mehr vor Mitternacht. Es soll ein „Brasato“ sein, wie man in Italien zu einem Schmorbraten sagt. In unserer Timing-Euphorie haben wir ihn so vorbereitet, dass er um halb 9 fertig gewesen wäre.
Das Feuerwerk ist bombastisch. Zumindest kommt es uns so vor von unserem Logenplatz auf der Dachterrasse aus. Wer braucht schon das Geballere in der betrunkenen Partymenge, wenn er eine Dachterrasse hat? Ja. Wir sind jetzt erwachsen. Und wir haben eine Dachterrasse. Natürlich haben wir eine eigene Raketen-Abfeuer-Anlage (das muss sein). Leider sehen wir von unserem eigenen Feuerwerk aber nix, weil wir die Dachterrasse verlassen müssen, denn es qualmt so bestialisch. Hinter der Scheibe sehen wir nur die Zündungen. Es macht ein paar Mal „puff..puff…blobb“ und die Batterie ist abgefeuert. Prima.
Beim Rausgehen ziehe ich die Terrassentür hinter mir zu, denn hinter der Scheibe schläft unser sieben Wochen alter Sohn. Der ist um Punkt 0:05 Uhr eingeschlafen, dann nämlich als die Böllerei dem Höhepunkt zustrebte. Hätte ich nicht machen sollen. Ich hab uns ausgesperrt. Vier Erwachsene draußen. Drei Kinder schlafend drinnen. Es ist saukalt und es liegt Schnee. Immerhin: Wir haben freien Blick auf die Babyphone. Und der Säugling liegt direkt vor unserer Nase hinter der Scheibe. Wir schieben kurz Panik und überlegen, ob wir vom Dach klettern oder die Scheibe einschmeißen sollen. Glücklicherweise sind die Männer schlau genug, die Scheibe aus den Angeln zu heben. Gerettet. Erleichterung.
Jetzt können wir auch endlich unseren Schmorbraten essen. Statt zweieinhalb Stunden war er fast sieben Stunden im Ofen. Gegen eins ist er auf dem Teller. Sagen wir mal so: Er hätte nicht den Preis für das schönste Gericht gewonnen. Er sieht ungelogen aus wie eine verrußte Kanonenkugel. Über ein Kilo Fleisch hat sich zu einem kleinen festen Etwas zusammengeschmurgelt, das auch glatt als Bommel auf dem Schwarzwälder Bollenhut durchgehen könnte. Umso erstaunlicher, dass man das Ding noch essen kann. Spätestens zu diesem Zeitpunkt lachen wir uns nur noch kaputt. Und das sogar teilweise ohne Alkohol (ich – Stillerei fordert Tribut). A. zaubert einen unfassbar leckeren Fondant au Chocolat daher. Die Kinder schlafen! Wir lachen. Es ist einfach wunderwunderwunderwunderbar.
Beim Bleigießen kommen irgendwie bei allen komische längliche Gebilde raus, für die es keine Erklärung gibt (ein Spermium??!! hah, wir bekommen noch ein Kind??!!) Also lachen wir noch mehr. Ich glaube, unsere Blei-Gebilde wollen sagen: Mach das nächstes Jahr wieder GENAU SO. Um vier Uhr gehen wir ins Bett. Um sieben kräht das erste Kind. Egal. Das war wirklich eines der allerfeinsten Silvester, die ich jemals hatte. Mit Kindern. Und guten Freunden. Wer braucht schon Silvesterpartys. Die sind doch meistens eh stinklangweilig.
Und so sah das aus. Unser Silvester in Bildern.
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