Angeln gehörte bisher eher nicht so sehr zu meinen favorisierten Beschäftigungen, und schon gar nicht im Winter. Jetzt habe ich es aber doch gemacht und das sogar mit den Kindern. Wir waren beim Winter-Angeln im Tiroler Leutaschtal.
Und das kam so: Der Patenonkel vom Bub ist Reiseredakteur bei der Süddeutschen Zeitung und wollte eine Geschichte machen. Angeln im Winter aus Kindersicht. Der Forellenteich in Leutasch ist da auch geradezu ideal, denn, so ehrlich muss man sein: Das ist schon ein spezielles Angeln dort. Man muss jetzt nicht den ganzen Tag am See sitzen und starren Auges auf die Angel glotzen, wartend, dass endlich mal ein Fisch anbeißen möge. In dem See der Leutascher Forellenzucht tummeln sich Forellen und Saiblinge in ziemlich großer Zahl und man muss nur die Angel reinhalten und kurz warten, bis der erste Fisch dran hängt.
Eisfischen am zugefrorenen See
Im Winter funktioniert das so, dass man eins der vorbereiteten Löcher auf dem See benutzt. Die Ausstattung dazu bekommt man gestellt, man kann aber natürlich auch sein eigenes Equipment mitbringen. Der erste Eindruck: Hier gibt es ziemlich viele Menschen, die ihr eigenes Zeugs mitbringen. Sie tragen Cargohosen mit großen Taschen links und rechts, Jacken in Tarnfarben und Westen mit vielen kleinen Fächern, in die man Angelzubehör stecken kann. Irgendwie komm ich mir völlig underquipped vor.
Wir hängen also unsere Leihangeln in eins der Löcher und, tatsächlich, kaum ist sie drin, schnappt eine Forelle zu. Der Köder ist eine dicke weiße Made (alternativ kann man Mais nehmen, aber die Körner unserer Dose landeten nur im Eisloch, reingestreut von unseren Kindern und ich wage zu vermuten, dass sich die Fische dafür kaum interessieren).
Die Forelle und der Knüppel
Und wen es jetzt Überwindung kostet, die Made auf den Angelhaken zu spießen, der sollte lieber gleich wieder nach Hause fahren. Denn, ich guckte da auch erstmal blöd: Sobald der Fisch an der Angel und aus dem Wasser herausgezogen ist, muss man ihn mit einem harten Schlag auf den Kopf betäuben. Und, ja, töten.
Und wo ich zunächst glaubte, dass man die Fische einfach in einen Eimer Wasser tut und dann den Fisch-Profis zur weiteren Verarbeitung übergibt, werde ich schnell belehrt: Jeder macht das selbst. Die Angel-Experten mit dem Mega-Equipment ebenso wie wir, die wir im Lebtag noch keinen einzigen Fisch geangelt haben (also ich jetzt).
Ich gucke etwas besorgt zu den Kindern und wie die das finden, dass wir dem Fisch jetzt das Leben nehmen müssen. Sie finden das irgendwie normal, zumindest scheint es so. Vermutlich verstehen sie es einfach auch noch nicht. Ich denke später am Tag drüber nach, ob das jetzt okay ist, so etwas mit kleinen Kindern zu machen. (Ich hatte ähnliche Gedanken auch schon, als wir uns bei einer Fischzucht am Tegernsee frischen Fisch geholt haben, der dann vor unseren Augen aus dem Becken geholt wurde und dann ebenfalls direkt vor uns verarbeitet wurde.)
Lebensmittel hat mit Leben zu tun
Andererseits, ist das nicht die reinste Form, sich sein Essen zu organisieren? Das uralte, steinzeitliche Prinzip vom Jagen und vom Töten? Bekommt ein Lebensmittel nicht eine besondere Wertigkeit, wenn ich sehe, woher es kommt und dass es sich dabei um ein Lebewesen handelt – das ich mit Respekt behandeln muss, auch wenn ich es esse?
Unsere Kinder wachsen in der Gewissheit auf, dass Nahrungsmittel immer und jederzeit verfügbar sind. Fleisch und auch Fisch gibt es in Hülle und Fülle, nur sind die meist bis zur Unkenntlichkeit verarbeitet – zu Würstchen und Fischstäbchen, in Plastik verpackt und irgendwo untergemischt. Woher all das kommt – unsere Kinder lernen es auf diese Weise nicht.
Also stehen wir nach drei Stunden immer noch vor unserem Eisloch und haben eine Forelle und sechs Saiblinge gefangen. Der Junge am Nachbarloch schaut ganz neidisch und wir tauschen einen unserer Saiblinge gegen eine seiner Forellen. Jetzt ist es auch genug. Wir packen ein und die Männer müssen noch sieben Fische ausnehmen. Ich bin irgendwie froh, dass ich das nicht machen muss. Natur hin oder her.
Das frischeste Abendessen der Geschichte (und ich geh wieder Skifahren)
Am Abend gibt es gebratene Forelle. Es stimmt schon, nachhaltiger und regionaler kann man sein Essen nicht gestalten. Außerdem war unser Vormittag auf dem Leutascher Eis ein Riesenspaß. Zugegeben, unsere Kinder waren noch etwas zu klein. Nach dem ersten Fangerfolg mit der Forelle verloren sie ziemlich schnell das Interesse und „kochten“ lieber in den Eislöchern ein imaginäres Mittagessen. Oder streuten den Mais in die Eislöcher. Dafür gingen sie an das Thema Angeln mit dieser unbekümmerten Unbefangenheit heran, wie sie nur Kinder haben.
Okay. Vermutlich werde zumindest ich mein Lebtag mehr kein großer Angler und gehe im Winter weiterhin lieber Skifahren oder Langlaufen statt Fische zu fangen. Aber für einen spannenden Winter-Erlebnis-Tag, noch dazu in einem der für mich schönsten Täler Tirols, war das Leutascher Eisfischen genau das Richtige.
INFO
Das Winterangeln in Leutasch gibt ja nach Wetterlage noch bis Ende Februar oder Anfang März (Start der Saison ist im Dezember). Der Teich im zentralen Ortsteil Weidach ist von Freitag bis Sonntag sowie feiertags von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Fischen kann jeder, es ist kein Angelschein erforderlich. Neben dem See gibt es ein kleines Café, in dem man sich bei Kaffee und Schoki zwischendurch aufwärmen kann. Dort gibt es auch geräucherte Fische und weitere Produkte zu kaufen. Mehr Infos auf der Website der Leutascher Fischerei.
Leutasch liegt zwischen Mittenwald und Seefeld, etwa 40 Minuten von Garmisch-Partenkirchen entfernt. Auch über Innsbruck kommt man dorthin. Eine weitere Wintergeschichte von mir zu diesem wunderschönen Hochtal findet ihr hier auf dem Blog. Und über das Langlaufen in der Leutasch habe ich ebenfalls schon einmal geschrieben. Übernachten und gut (und regional) essen kann man im Naturwirt.
Wie unser Angel-Geschichte dann in der Süddeutschen aussieht, könnt ihr in Kürze im Reiseteil am Donnerstag nachlesen.
1 comment