Jetzt ist es also soweit. Ich hätte nie gedacht, dass es mir dann doch so schwerfällt. Dabei wollte ich es ja auch. Der Sommer ist schon voll im Gange, und ich denke sehnsüchtig an all die Hugos und Sprizzer, an den tollen Sauvignon Blanc aus der Südsteiermark und einfach daran, dass mein Körper so langsam signalisiert: es reicht.
Ich finde ja auch, zehn Monate sind mehr als genug. Und trotzdem ist da diese leise Wehmut, als ich merke: Sie mag gar nicht mehr. Seit ein paar Wochen gebe ich ihr das Fläschchen. Abends zuerst, zum Einschlafen. Dann auch in der Früh. Und jetzt ist auch die letzte Bastion gefallen – das nächtliche Stillen. Sie liebt ihr Fläschchen. Wenn sie es nur sieht, wird sie ganz aufgeregt und fängt an zu zappeln. Herr Hipp und Tante Milupa haben das toll hinbekommen. Meine Brust ist jetzt nicht mehr gefragt. Und das macht mich dann doch traurig. Seltsame Schizophrenie, denke ich mir. Zum einen willst du endlich mal wieder mit deinen Freundinnen einen trinken und zum anderen heulst du der Stillzeit hinterher.
Ich verkünde überall, dass das Stillen jetzt ein Ende hat. Und versuche dann aber doch heimlich noch ein paar Mal, ob Teresa nicht doch … nee, keine Chance, sie will nicht. Plötzlich gucke ich ganz neidisch auf die Frauen, die noch stillen. Und zwar auch noch fast einjährige Kinder. Weißt du, sagt eine gute Freundin, wie müssen uns jetzt wirklich damit abfinden, dass unsere Kinder so langsam keine Babys mehr sind. Wie recht sie hat. Und wie traurig das doch gleichzeitig ist. Wir freuen uns über jeden Schritt, den sie tun und gleichzeitig weinen wir, weil genau dieser Schritt wieder einer ist, der sie mehr von uns entfernt.
Das kleine haarige Bündel in meinen Armen, das am Anfang gar nicht richtig an der Brust trinken wollte, es ist nicht mehr da. Es ist zu einem Kind geworden, das lieber eine Flasche Fertigmilch verputzt. Das bald anfangen wird zu laufen, zu sprechen. Es wird größer werden und irgendwann, sehr bald, wird auch die Stillzeit verblassen, so dass man sich dann fragt: Wie war das damals nochmal mit dem Stillen?
Die geliehene Milchpumpe ist schon wieder zurückgegeben (ich war eh nie ein Fan von dem umständlichen Gefrickel), gefühlt ist eine Ewigkeit vergangen, seitdem ich die das letzte Mal benutzt habe. Im Gefrierschrank steht noch einsam eine Flasche mit eingefrorener Muttermilch. Hebt man die auf, als Souvenir? Pfefferminztee, Salbei, Globuli – hab ich alles nicht gebraucht. Einfach aufgehört hab ich. Milch ist immer noch da, keine Ahnung wie viel und wie lange noch. Aber nichts drückt, nichts entzündet sich. Der Körper sagt: Danke, schön war’s. Vielleicht liegt es an den Hormonen, dass ich so traurig bin und gereizt. Müde.
Von der letzten Stillmahlzeit mache ich ein Foto. Hört sich jetzt irgendwie blöd an, aber es hilft gegen den Abschiedsschmerz. Teresa an meiner Brust. Nur wir beide. Wir sind grade mal wieder unterwegs, ich schaue auf die Berge. Draußen – mein geliebtes Outdoor-Stillen. Die Sonne scheint und der Himmel ist weiß-blau. Ein Kitschbild zum Abschied.
Statistiken würden mir sagen, wie viel Liter Muttermilch ich in zehn Monaten produziert habe. Wie viel zusätzliche Kalorien ich verbraucht habe. Wie hoch der Anteil der Mütter ist, die nach zehn Monaten immer noch stillen. Ich will das alles gar nicht wissen. Ich will einfach die Erinnerung behalten an eine Zeit, die so besonders war, dass immer ein Band zwischen uns beiden geknüpft sein wird.
Zwei Tage später sitze ich in einer Bar. Der erste Hugo nach so langer Zeit schmeckt unglaublich gut. Aber vermisst habe ich ihn nicht.