Heute bin ich über einen Hashstag auf Instagram gestolpert und auf dem kaue ich nun schon den halben Tag herum. An sich ist es ja nix Neues, dass immer wieder eine neue Sau durchs Netz gejagt wird, täglich, stündlich, minütlich. Und in der Regel lass ich die einfach vorbei rennen und ich bin auch gar nicht so der Typ für diese ewigen Diskussionen, welcher Lifestyle nun besser ist, ob man sein Kind nun tragen soll, lang stillen, im Familienbett schlafen, Stückchen geben statt Brei, in die Kita oder nicht … ich persönlich halte nämlich viel davon, dass bitteschön jeder einfach macht, was er für gut befindet.
Und ich hab ehrlich gesagt mit meinen drei Kindern genug zu tun, ich kann mich auch nicht noch (gedanklich) darum kümmern, was andere so in ihrer Erziehung und in ihrem Alltag mit Kind(ern) so tun.
Finger weg von Fotos von Kindern?
Nun geht’s aber bei der aktuellen Diskussion um ein Thema, das jetzt nicht wahnsinnig neu ist … das tauchte schon auf, als ich grade mit dem Bloggen begonnen habe und das ist immerhin nun schon fast sieben Jahre her: Kinderfotos im Netz.
Denn der Hashtag lautet #deinkindauchnicht und das Ganze ist eine Kampagne, die darauf abzielt, Eltern zu ermahnen, ihre Kinder nicht zu freizügig im Netz zu zeigen. Also das alte Dilemma, das wir hier immer haben: Wie führe ich einen Mama/Eltern/Familienblog ohne Fotos meiner Kinder zu zeigen. In Zeiten von Insta Fame und Influencertum ist das in den letzten Jahren nicht unbedingt leichter geworden, darauf eine Antwort zu finden.
Auch bei uns in der Familie gibt es diese Diskussion, wie viel ich zeige und was überhaupt. Und ich fass mich auch gerne selbst an die Nase und denke gerne auch über meine Bilder gerne nochmal genauer nach. Vielleicht sehe ich mit etwas Abstand manches in anderem Licht. Ich habe auch schon Bilder gelöscht, aus genau dem Grund.
Erstmal gegen die Dinkel-Muddis
Nun ist aber diese „Kampagne“ nicht unbedingt hilfreich auf diesem Weg und ich will euch auch sagen, warum ich das finde. Vorweg: Dass das Thema diskutiert werden muss – keine Frage. Nun aber sehe ich ein paar Bilder mit Wilson Ochsenknecht, der für die passende Publicity sorgt, damit das Ganze auch in den einschlägigen Glitzerblättern landet. Und die Kampagne mag gut gemeint sein, artet aber so fies aus, dass ich mir die Kommentare dazu einfach nicht geben will. „Super, dass den Dinkelmuttis mal ein Spiegel vorgehalten wird“? WTF? Dinkelmuttis? Come on, wer so argumentiert, sollte die Finger von solchen Themen lassen.
Fühl ich mich angegriffen? Ja. Weil es mich nervt, dass schon wieder alles über einen Kamm geschoren wird. Mutter plus Kind plus Instagram ist gleich: Die stellt ihr Kind zur Schau. So läuft das. Ehrlich gesagt würde mir im Traum nicht einfallen, mein Kind auf dem Klo oder nackt ins Netz zu stellen. Natürlich gibt es Eltern, die das machen. Aber es gibt auch welche, die das nicht machen. Und sich gut überlegen, was sie posten und ob es zum Thema passt.
Frauen bashen Frauen. Warum hört das einfach niemals auf?
Also man kann den Pingpong-Ball jetzt natürlich seeeeehr lange hin und her schießen. Die Frage ist an dieser Stelle nur mal wieder: Wieso hauen denn an dieser Stelle schon wieder Frauen auf Frauen ein? Und ich empfehle euch, tatsächlich mal die Kommentare unter den einzelnen Postings zu lesen. Da geht es echt zur Sache. Nur WARUM? Kann man so ein wichtiges Thema denn nicht einfach mal sachlich und normal behandeln? Muss man immer so hysterisch rumschreien?
Ich verstehe die Motivation der Kampagne nicht. Okay, die Initiatorin hat keine Kinder, geschenkt. Man kann das auch zum Thema machen, wenn man kinderlos ist. Aber was befürchtet sie? Um das Wohl der (fremden) Kinder anderer Menschen? Kann nicht jeder selbst entscheiden, was gut für ihn ist? Das ist der Fehler, den die Kampagne begeht. Sie erhebt nicht nur den Zeigefinger, sie erdolcht dich damit. Mit spitzen, rot lackierten Fingernägeln.
Ja es nervt.
Es gibt so vieles, was mich an Instagram nervt, zunehmend. Diese Perfektheit an allen Orten. Die perfekten Familien mit perfekten Frisuren und perfekten Häusern mit der perfekten Einrichtung mit perfekten Kindern und Ehemännern, die sich immer liebend um alle kümmern und ihre Frau jede Woche auf eine Date Night entführen, obwohl das süße Baby doch erst 3 Monate alt ist. Und natürlich stehen immer frische Blumen auf dem Tisch. Die Überflutung mit Werbung an allen Orten. Hier noch ein Täschchen, dort die tolle Creme, der Strampler, die Uhr, das Spielzeug … alles vertaggt und verinfluenct.
JA man könnte sich über so vieles aufregend auf Instagram. Und JA es wird unser Job als Mütter (und Väter) sein, unseren Töchtern (und Söhnen) mal zu erklären, dass das reale Leben anders ist als das Pixelleben in der App. Vielleicht sind wir die letzte Generation, die das noch kann, weil wir eben keine Digital Natives sind (auch wenn wir es gerne wären) und eine Welt kennen, in der das (einzige) Telefon noch im Flur an der Wand hing.
Aber es kann halt auch viel.
Man sollte nur nicht den Wert unterschätzen, denn solche Netzwerke bieten. In der Kampagne gibt es ein Bild, das ein Stillbild sein soll. Message: Zeige dein Kind nicht beim Stillen. Das greift in die Persönlichkeitsrechte des Kindes ein. Jetzt gibt es nur sehr viele Mütter, bei denen das Stillen nicht klappt. Ich gehöre dazu. Ich wäre daran verzweifelt, wenn ich nicht den Zuspruch gehabt hätte, den ich in dieser Situation gebraucht habe. Von meiner Hebamme. Und aus dem Netz. Will sagen: Diese Bilder haben einen Sinn.
Denn es sind Bilder und Texte, die unterstützen und ermutigen. Die einem Halt geben. Und einem sagen: Du bist nicht allein.
Ich lese im Netz von Erziehung und Ernährung, ich lese von schweren Geburten und von leichten. Ich lese vom Sternenkindern und besonderen Kindern. Ich lese von Müttern, die unendlich erschöpft sind und solchen, die ihnen wieder aus dem Loch heraushelfen, in das sie gefallen sind. Ich lese von Regenbogen-Familien und von Alleinerziehenden, von Menschen, die ihre Kinder zuhause betreuen oder sie mit 6 Monaten in die Krippe geben. Von Workings Moms und Frauen, die im Job gemobbt werden, weil sie Mütter sind.
Ich lese von Vätern, die das erste Mal ihr Kind im Arm halten und solchen, die ihren Kindern Geschichten erzählen. Ich sehe Streifen und Dellen, ich sehe schwangere Bäuche und was daraus wird, wenn das Kind geboren ist.
Vielleicht gar nicht Schwarz oder Weiß. Sondern so dazwischen.
Sag mir ein Thema und ich finde dazu ein Bild. Und das sagt dir: DU BIST NICHT ALLEIN. Vielleicht ist das das Entscheidende, was wir haben und unsere Mütter noch nicht hatten. Den Beistand der Community. Eben nicht alles im stillen Kämmerlein ausfechten zu müssen. Und um die Welt von Eltern zu bebildern, braucht es nun mal Kinder auf den Bildern. Ich wüsste nicht, wie es anders geht. Die Frage sollte also vielleicht eher sein: Wie schaffe ich es, ästhetische Bilder zu machen, die nicht plump und peinlich wirken?
Und vor allem sehe und lese ich von der unendlichen Liebe, die jede Mutter und jeder Vater für sein Kind empfindet. Und ich kann nur zu gut verstehen, dass man diese Liebe teilen möchte. Weil auch ich es tue.
Doch erst mal Kinder bekommen?
Vielleicht ist es genau das, was man nicht verstehen kann, wenn man (noch) keine Kinder hat. Dass dieses Abenteuer eines ist, das dich nun dein Leben lang begleitet. Dass es wunderschön sein kann, aber auch anstrengend, herausfordernd. Belastend. Dass es Tage gibt, an denen du das Gefühl hast, du bist der einsamste Mensch der Welt. An denen du dich so kraftlos fühlst als könntest du keinen Meter mehr voran gehen.
Und dass es solche gibt, an denen du vor Glück glaubst zu explodieren. Alleine durch das Lachen deines Kindes, das Glitzern in seinen Augen, den Schmatz auf die Wange. Und dass es so heilsam sein kann, wenn einen auf diesem Weg jemand begleitet. Absurd vielleicht wenn man den gar nicht wirklich kennt, sondern nur seinen Feed und seine Geschichten. Aber das reicht aus. Da ist ein Mensch und der hat nun mal eine Familie und die besteht nicht nur aus Platzhalter-Bildern, sondern halt auch aus dem echten Leben.
Thema gut und trotzdem verfehlt
Eltern zu werden und zu sein ist kein einfacher Weg. Weil einem ständig jemand reinquatscht, weil es immer jemanden gibt, der es besser weiß. Früher war es die Schwiegermutter, heute sind es die Horden in den sozialen Netzwerken, die meinen, sie wären das bessere Ich.
Denn wenn ich die Kommentare zu all dem durchlese, wird mir total schlecht. Da werden Profile an den Pranger gestellt, da wird gelästert und gemobbt. Und es scheint so gewollt zu sein.
Das wird dem so wichtigen Thema nur leider überhaupt nicht gerecht. Es ist halt leider nicht mit ein paar plakativen Bildern und nem Spruch getan, wenn’s dann so einseitig umgesetzt wird. Schade.
Morgen kommt die nächste Sau vorbei gerannt. Hashtag drauf.
Ach so: wer mal gucken möchte: es gibt auch eine Website. Den Insta-Feed gibt’s hier. Samt aller Nebenwirkungen.
5 comments
Das denke ich auch. Der Schaden ist grösser als der Nutzen und mich ärgert diese kurzsichtige Denke für ein paar Klicks. Ganz liebe Grüsse aus Berlin, Anita
Hallöchen liebe Petra ????!
Also tatsächlich finde ich diese Kampagne und auch die Öffentlichkeit, die die Bilder erzeugen toll und überreif. Es gibt einfach zu viele, die sich im Netz bewegen ohne sich darüber auch nur einen Gedanken zu machen.
Fakt ist und bleibt, dass wir alle unsere Kinder (bis zu einem gewissen Alter) nicht fragen können, ob sie ihre Fotos in den Social Media Kanälen und auf Webseiten haben möchten oder nicht. Und selbst wenn sie älter sind, können sie die Konsequenzen schlicht nicht abschätzen. Wir verfügen also einfach über deren Bildrechte und entscheiden. Manchmal sehr bewusst und manchmal (aus meiner Sicht) fast fahrlässig.
Muss das sein? Kann man Geschichten, wichtige Erfahrungsberichte und Gefühle nicht auch ohne Kinderbilder transportieren? Diese Frage steht im Raum. Und ich finde diese Frage sehr wichtig.
Alles Liebe
Alex
Mir gehts ja vor allem um dieses pauschale Bashing. Das hilft dem Thema in meinem Augen so gar nicht weiter. Und dann ist das schon wieder begleitet von so viel Geschrei und gehässigen Kommentaren. Geht gar nicht, finde ich und ist eher kontraproduktiv. Aber nun ist auch gut. Ich muss jetzt mal ein bisschen analoge Lebenspflege betreiben und mich um den Einkauf kümmern, ich kleines Hausweibchen :-)
Oh, ich bin sooo bei dir!!! Mich ärgert diese Kampagne masslos, ganz besonders, da Stillen so demütigend dargestellt wird. Und das heutzutage wo Stillen so um seinen guten Ruf kämpfen muss. Danke für den Text!????
Liebe Anita, das war auch mein Gedanke. Ich kann den Hintergrund natürlich nachvollziehen und es passt halt auch so gut zur Kampagne. Aber gerade im Zusammenhang mit Nackt- und Klobildern find ich es auch unangebracht. Knallt aber gut und ich vermute mal, das steckt auch dahinter. Provokation. Aufmerksamkeit. Naja.