Stillen ist naturgegeben, dachte ich. Und hatte Bilder im Kopf aus der afrikanischen Steppe. Von den Gnus und Elefantenbabys, die sofort auf ihren Beinen stehen und automatisch die Milch-Tankstelle finden. Ein Mensch ist ein Säugetier – also weiß er, wie man saugt.
Naja, sagt meine Hebamme, so einfach ist das nicht. Ein Menschenkind muss das saugen erst lernen. Hätte ich das gewusst, mir wären vermutlich einige Schmerzen und Tränen erspart geblieben. In der Klinik ließ ich mich zu einem wahren Stillmarathon hinreißen, weil es einfach nicht klappen wollte. Das Ergebnis: wunde Brustwarzen und die Bekanntschaft mit Stillhütchen und einer elektrischen Milchpumpe. Brauchst du alles nicht, sagt zum Glück dann Charlotte, die Hebamme, und ich bin froh, dass ich diese Gerätschaften wieder entsorgen darf.
Praktisch jeder kann stillen, lese ich im Netz – alleine die Eingabe der Suchwörter „Wunde Brustwarzen“ fördert zig Treffer zutage. Was man nicht alles tun kann. Muttermilch drauf tun und trocknen lassen. Schwarzen Tee einreiben. Wollfett. Charlotte schwört auf Heilwolle. Lasern lassen kann man auch.
Plötzlich rücken alle meine Mama-Freundinnen mit der Wahrheit heraus – praktisch jede hatte am Anfang wunde Warzen. Wieso sagt einem das nur vorher keiner? In der ersten Woche nach der Entbindung fühle ich mich so, als ob die Welt nur noch aus meiner Brust besteht. Lerne, dass es Stillberaterinnen und Stillgruppen gibt. Und denke mir immer mal wieder, dass der Elefant und das Gnu in der Steppe schon längst verhungert wären, wenn sie sich so anstellen würden.
Aber Menschenkinder sind nun eben besonders und die gute Nachricht ist: nach zwei Wochen klappt alles. Das Saugen, die Milchzufuhr, der Rhythmus. Und ja: es ist toll, sein Kind selbst ernähren zu können. Ich staune immer wieder, was ein Körper so alles kann. Auch die elektrische Milchpumpe. Leihweise für vier Wochen aus der Apotheke, kam dann nochmal zum Einsatz. Im Gegensatz zu den Handmilchpumpen holt man sich keine Sehnenscheidenentzündung – und abgepumpte Milch im Vorrat zu haben kann einem manchmal den Tag retten – in der U-Bahn, beim Kinderarzt oder beim Büro-Besuch bei den Kollegen.
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