Die Geburt verbloggen? Hielt ich bisher eher für keine gute Idee. Manche Dinge sind dann eben doch privat und sehr persönlich und dazu, finde ich, gehört eben auch das Geburtserlebnis. Okay, langer Rede … warum hier jetzt trotzdem Geburtsbericht drüber steht: Nach ein wenig Nachdenken kam ich dann doch zu dem Schluss, dass ich drüber schreibe. Vor allem deswegen, weil ich damit auch anderen Frauen Mut machen möchte, auf ihren Körper zu hören und zu vertrauen. Das ist nicht einfach, ich weiß. Die moderne Medizin ist ein Segen, aber sie kann uns auch sehr verunsichern durch die vielen Möglichkeiten, die sie bietet. Ich habe es in dieser dritten Schwangerschaft einige Male erlebt. Und die Geburt war das Sahnetüpfelchen darauf und wenn man so will, dann macht es die ganze Sache noch ein wenig irrer. Und aus genau dem Grund will ich es euch erzählen.
Der Tag, an dem du geboren bist …
Alles endet und beginnt am 12. Januar gegen 10 Uhr morgens als ich mich gerade fertig machen will, um in die Frauenklinik in der Maistraße zu fahren. Um 10:45 Uhr habe ich dort nämlich den Termin, vor dem es mir schon seit Tagen graut: Dann ist der errechnete Entbindungstermin um fast eine Woche verstrichen und es ist unmissverständlich, dass dann die Geburt eingeleitet werden würde.
Das etwas Absurde an der ganzen Situation ist, dass ich seit Anfang November in dem Glauben war, mein Kind würde auf jeden Fall noch vor Weihnachten zur Welt kommen – zwischenzeitlich sah es wegen eines verkürzten Gebärmutterhalses nämlich so aus, als könne ich froh sein, wenn ich die 37. Woche irgendwie schaffen würde. Anfang Dezember war die Zervix nur noch bei 1 cm und der Muttermund ebenfalls einen guten Zentimeter geöffnet. Deswegen hatte ich niemals auch nur einen Gedanken daran verschwendet, ich könne über den Termin gehen. „Das passiert öfter, dass Frauen mit einem solchen Befund übertragen und am Ende sogar eingeleitet werden müssen“, hatte der Arzt eine Woche vorher noch gesagt. Aha.
Mein Problem war: Wegen dieses vermaledeiten Gestationsdiabetes durfte ich eigentlich gar nicht viel über den Termin gehen – die zusätzliche Woche hatten sie mir nur zugestanden, weil alle Werte super waren, das Kind total fit und normal groß und ich nur sechs Einheiten Insulin am Abend spritzen musste – unter acht Einheiten, so erklärt man mir, könne man noch ein wenig Spielraum geben. Wenn auch nur einen begrenzten.
Die Angst vor der Einleitung
Und da saß ich nun und hatte einen riesengroßen Schiss vor einer Einleitung – schlimme Wehen ohne Pause, Absacken der Herztöne, Notkaiserschnitt, das war das Horrorprogramm, das vor meinem inneren Auge ablief. Dabei wünschte ich mir nach den Komplikationen der Schwangerschaft einfach nur so sehr eine ganz stinknormale Geburt. Mein Problem war einfach: Ich hatte das Vertrauen in meinen Körper verloren, der mich in den Monaten zuvor einfach ein paar Male zu oft im Stich gelassen hatte.
Ausgerechnet mich, die immer positiv denkt und aus allem das Gute herauszieht. Eine sportliche, und gesunde Frau, die im 7. Monat noch auf Berge kraxelt, ihr Leben und ihren Alltag mit zwei kleinen Kindern im Griff hat. Die bekommt Diabetes, ohne es zu merken. Deren Gebärmutterhals verkürzt sich, ohne dass sie es merkt. Ich hatte einfach aufgehört zu sagen: Schlimmer kann es nicht mehr werden. Denn irgendwie schaffte ich es dann ja doch wieder, alles zu toppen. Und meine größte Angst in dem Moment war, dass die Geburt nochmals alles toppen würde – im negativen Sinne.
Eine Woche voller Anspannung
So war denn auch die Woche vor der Geburt nicht gerade entspannt. Ich war über dem Termin und musste regelmäßig in der Klinik antanzen. Immerhin – ich habe mein Kind in den letzten Wochen der Schwangerschaft mehrmals wöchentlich im Ultraschall betrachten dürfen, das war wirklich schön. Aber natürlich häuften sich die Fragen und die verwunderten Blicke – was, die ist immer noch schwanger? Ich hatte mich ja beispielsweise im Kindergarten in die Weihnachtsferien verabschiedet mit dem festen Glauben, nach den Ferien direkt mit einem Baby dort anzutraben. Aber, tja, der Bauch war halt immer noch da. Natürlich spannte und drückte alles und die Walross-Phase war definitiv schon längst überstrapaziert. Und eben diese Unruhe wegen des Termins am Freitag.
Freitag, 12. Januar. 10 Uhr.
Pünktlich zum Glockenschlag der Kirche nebenan spüre ich, wie etwas in meinem Rücken zieht. Ich achte nicht so sehr darauf, denn die vergangenen Tage hatte ich dieses Ziehen öfter. Am Dienstag war ich bei meiner Hebamme zur geburtseinleitenden Akupunktur, danach hatte ich einige schwache Wehen, die aber immer wieder vergingen, ohne dass etwas passierte. Auf ihren Rat hin hatte ich das volle Programm gefahren: Nelkenöl im Badewasser und auf einem Tampon. Eisenkrauttee. Ein paar Schlucke Rotwein am Abend. Auch Sex soll helfen – im männlichen Sperma sind ähnliche Stoffe wie jene, die bei der Einleitung verwendet werden.
Aber bislang hatte sich, bis auf dieses stete Spannungsgefühl im Bauch und einen intensiven Druck nach unten, der das Gehen zusehends mühsamer machte, nichts getan. Am Abend zuvor hatte ich noch einen langen Spaziergang gemacht – nur ich und das Baby im Bauch, im Ohr die Hypnobirthing-Playlist, die ich eigentlich für die Geburt runtergeladen hatte. Wir hatten gesprochen. Ich hatte ihm gesagt, dass der 12. Januar ein sehr feines Datum sei, um auf die Welt zu kommen. Und ihm nochmals klar gemacht, dass es für ihn nur gut sein könnte, wenn es sich seinen Geburtstag selbst aussucht.
Auf dem Weg in die Klinik
Um 10.10 Uhr zieht es wieder im Rücken und ich merke, wie eine sanfte Welle bis zum Bauch hin strahlt. Plötzlich bin ich hellwach. Ich gehe ins Bad und tröpfle nochmal zwei Tropfen vom Eisenkrautöl unter meine Zunge. Vielleicht geht es jetzt tatsächlich los, denke ich. Glauben tu ich es nicht. Um 10:20 Uhr sage ich zu meinem Mann, dass ich jetzt langsam mal losfahren würde zum Krankenhaus. Ich hatte ihn gebeten, an diesem Tag zuhause zu bleiben, weil ich nicht sicher bin, ob man mich gleich da behält zu Einleitung. „Wie fährst du denn jetzt hin?“, fragt mein Mann und als ich meine, ich würde das Fahrrad nehmen, schüttelt er den Kopf: „Lass mal, ich fahr dich“. Ist vielleicht auch besser, entgegne ich, denn es zieht auch schon wieder im Rücken und im Bauch und ich bin so langsam sicher, dass das tatsächlich Wehen sind.
Als ich ins Auto steige, merke ich schon, wie mir die Bewegung schwer fällt. Die Fahrt zur Klinik dauert nur 5 Minuten, aber ich merke in dieser Zeit, dass die Wehen stärker werden. Jetzt ist es ziemlich eindeutig: Das Baby kommt. Oh Mann, was bin ich in diesem Moment froh. In der Schwangerenambulanz kennen mich alle schon, so oft wie ich die letzte Zeit da war. Ich sage zur Begrüßung nur: „Ich glaube, heute bleibe ich tatsächlich da.“ Und weil in den Kreißsälen gerade viel los ist, machen sie das CTG und die Untersuchung direkt dort. Die Hebamme, die Dienst hat, ist diejenige, die vor gut drei Jahren meinen Sohn auf die Welt gebracht hat. Sie hatte mich tatsächlich auf Anhieb erkannt, als ich zum ersten Mal in die Ambulanz kam. Und tatsächlich: Der Muttermund ist gute 2 cm geöffnet, die Cervix nahezu verstrichen.
Der Super GAU: Kein Kreißsaal frei
Als ich am CTG hänge und schon anfangen muss, die Wehen zu veratmen, kommt sie mit betretenem Gesicht zu mir und sagt: „Es tut mir unglaublich leid, aber ich habe gerade erfahren, dass alle Kreißsäle voll sind. Wir müssten Sie eigentlich in eine andere Klinik verlegen.“ Ah, denke ich, herrlich, dieses Puzzlestück hat noch gefehlt in der Sammlung der Schwierigkeiten innerhalb einer Schwangerschaft! Abgewiesen in der Klinik! Dabei bin ich seltsam entspannt, weil ich einfach nur so unfassbar glücklich bin, dass mir die Einleitung erspart bleibt. Und irgendwie weiß ich genau: Ich werde dieses Kind hier bekommen, in diesem Krankenhaus, in dem auch meine beiden anderen Kinder zur Welt kamen. Ich gehe nirgendwo anders mehr hin.
Nach dem CTG muss ich ohnehin erstmal zum Ultraschall, aus irgendeinem Grund wollen sie das Kind nochmal vermessen – dabei denke ich: Soviel wird es in den letzten drei Tagen ja wohl nicht gewachsen sein, dass es jetzt plötzlich zu groß wäre. Egal. Als ich auf der Liege dort liege habe ich schon sehr regelmäßige Wehen und muss immer wieder aufstehen, weil es stehend erträglicher ist. Die Ärztin, die ich ebenfalls schon kenne, schallt nur ganz kurz die Fruchtwassermenge, passt alles. Sag ich doch. Sie telefoniert mit dem Kreißsaal, was sie jetzt mir mir machen sollen. Ich sage nochmal sehr deutlich, dass ich wirklich nirgendwo mehr hingehe, weil ich instinktiv merke: Ich kann eh nicht mehr. Zum Glück ist auch der Kreißsaal der Meinung, dass eine Drittgebärende mit regelmäßigen Wehen nicht mehr durch die halbe Stadt geschickt werden sollte. Man will mich „parken“.
Warten und Wehen veratmen
Das tun sie in einem Untersuchungszimmer neben den Kreißsälen. Mittlerweile ist es kurz nach 12. Ich bekomme einen Zugang gelegt, für den Fall der Fälle und nehme zwei Paracetamol. Die Wehen kann ich zu dem Zeitpunkt ganz gut veratmen, ich gehe im Zimmer rum und albere ein bisschen mit dem Mann. Wir machen Fotos und organisieren die Nachmittagsbetreuung für die Großen, die ja gerade im Kindergarten sind. Irgendwann denke ich: Jetzt leg ich mich doch mal hin. Das Zimmer ist jetzt eher kärglich eingerichtet – von wegen wohlige Atmosphäre und so :) Aber es gibt eine Liege und auf der liege ich nun. Die Wehen werden stärker, sie kommen immer noch vom Rücken her und strahlen dann in den Bauch. Ich kralle mich in die Wandleiste oberhalb der Liege, weil es jetzt echt schmerzhaft wird.
Mit der nächsten Wehe spüre ich diesen Druck nach unten, fühle wie sich der Kopf in mein Becken bohrt und weiß genau: Jetzt wird es ernst. Die nächste Wehe will ich noch abwarten, ob ich wirklich richtig liege und mit ihr spüre ich etwas Warmes, Feuchtes an meinen Beinen. Okay, denke ich, das war also die Fruchtblase. Und rufe dem Mann zu: Jetzt! Schnell! Kreißsaal! Er spurtet los und holt die Hebamme, die kurz checkt und dann geht alles ganz fix. Der Muttermund ist komplett offen. Holla die Waldfee, das ging mal wieder schnell! Im Stechschritt schieben sie mich auf der Liege den Gang entlang zum Kreißsaal. Ich erhasche ein paar Blicke der Leute, die vor den Kreißsälen warten … Väter, Mütter, Schwangere … es ist echt viel los an dem Tag.
Nur drei Wehen noch …
Und dann bin ich drin im Kreißsaal und winde mich irgendwie auf dieses Bett … es scheint mir der gleiche Kreißsaal zu sein, in dem die kleine Madame zur Welt kam. Zum Glück ist der jetzt doch frei. „Nach dieser Wehe dürfen Sie dann pressen“, sagt die Hebamme. WAS? jetzt schon, denke ich mir. Krass. Alle weiteren Details lasse ich jetzt tatsächlich mal außen vor, nur soviel: Ich glaube es waren noch drei Presswehen. Nach zwei war der Kopf da, mit der dritten kam dann der Rest. Und da liegt er unter mir, mein wunderschöner Bub. Mit unglaublich vielen Haaren auf dem Kopf und der allersüßesten Stupsnase des Universums. Und zum allerersten Mal in drei Geburten sehe ich, wie die Nabelschnur durchgeschnitten wird, da ich knie und alles direkt unter mir passierte. Es ist 13:40 Uhr.
Sonne und Licht. Und DU.
Das ist der Moment, der mich für alles, wirklich alles entschädigt, was die Monate zuvor schief gelaufen ist. Diese Geburt war ein Traum. Einer, der mir niemals genommen werden wird. Es war ein wunderschöner Abschluss einer nicht immer schönen Schwangerschaft.
Und vor allem habe ich das Vertrauen in meinen Körper zurück gewonnen. Ich weiß wieder: Er ist stark. Ich bin stark. Ich habe ihm vertraut – und er hat das gemacht, was seit Anbeginn der Zeit eine seiner Aufgaben ist: Ich habe ein Kind zur Welt gebracht, mit Hilfe dieser Urkraft, die uns Frauen in diesen Momenten immer wieder über uns hinauswachsen lässt. Auch Tage danach bin ich noch völlig beseelt davon und schwebe nur so über den Krankenhausflur, dass sich alle wundern, wie das geht, so kurz nach der Geburt.
Bis Montag bleibe ich in der Klinik, wegen des Diabetes muss der Bub noch überwacht werden – er könnte in Unterzucker fallen. Aber er macht das alles so gut: Trinkt sofort viel und regelmäßig. Hat super Werte. Uns geht es einfach nur gut. Damit schließt sich das Kapitel Schwangerschaft für mich.
Und jetzt: Ist da einfach nur so viel Liebe. Für dieses Kind. Für meine beiden anderen Kinder, die so verliebt in ihren kleinen Bruder sind. Es ist als sei er schon immer da gewesen. Niemals mehr würde ich zögern, dieses Kind zu bekommen. Meine Nummer 3, die jetzt einen Namen hat.
Geboren in einen wunderschönen sonnig-milden Januar-Nachmittag hinein.
Lukas. Der ins Licht Geborene.
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Oh wie schön – da muss ich grad ein paar Tränen verdrücken!