Als „frische“ Mutti hat man ja Zeit. Man sitzt den lieben langen Tag zuhause rum, sofern man nicht schon wieder ins Berufsleben eingetaucht ist. Bespaßt den Nachwuchs. Trifft sich mit anderen Muttis und bildet dabei die gefürchteten Heere der Kinderwagenburgen auf dem Spazierweg und im Szenecafé. Und zwischendurch hat man viel Muße zum „Tippseln“ (O-Ton mein Mann). Ja, ich gebe es zu. Ich bin zu einer Tippsel-Mammsell geworden. Ich verbringe meinen Tag in inniger Symbiose mit meinem iPhone und dem iPad.
Ich weiß gar nicht, wie das früher war. Ich erinnere mich vage, dass ich ein paar Nachrichten gecheckt habe, auf dem Weg ins Büro und das war’s. Jetzt ertappe ich mich dabei, wie ich schon morgens vor dem Aufstehen einen Blick auf Spiegel Online und Konsorten werfe. Warum? Lange Zeit habe ich mich damit herausgeredet, dass ich jetzt, so abgeschnitten vom Büroalltag und meiner bisherigen, ziemlich rechnergesteuerten beruflichen Tätigkeit, einfach ein Ventil brauchte, um mit der Außenwelt in Verbindung zu bleiben. Aber findet man das auf Facebook? Bei aller Liebe zu diesem sozialen Netzwerk, das ich ja mittlerweile auch für das Blog nutze und für durchaus sinnvoll halte – zumindest in Maßen: NEIN.
Und, noch viel schlimmer: Ich bin eine notorische Kommentarleserin geworden. Zu jedem blöden Artikel muss ich lesen, was die Leute denken. Und das ist manchmal ein ziemlicher Bullshit. Ganz ehrlich. Jüngstes Beispiel: das Youtube-Video der Poetry Slammerin Julia Engelmann. Eine junge Frau, die bei einem studentischen Slam-Wettbewerb mitmachte. Und die nun mit etwas zeitlicher Verzögerung von den „alten“ Medien entdeckt wurde. Ganz einfach, weil sie erfrischend ist und begabt und auch hübsch anzuschauen. Und weil das Netz halt so seine eigenen Gesetze hat, mit dem, was es hochspült und hypt. Und dann kommt auch mal ein Spiegel Online auf den Trichter und stern.de titelt etwas vom „Moment, der ihr Leben ändern könnte“. Weil so ein Thema eben auch für sie ein gutes ist und ein wohltuender Kontrast zu all den Negativ-Nachrichten und der Drei-Wort-Busen-Dschungel-Rhetorik, die sonst so im Ressort „Panorama“ oder „Unterhaltung“ angesiedelt ist.
Und dann fange ich an die Kommentare zu lesen und denke erst, schön, endlich mal ein Thema, das man einfach nur gut finden kann, eben weil es mal ein etwas anderes ist als Lug und Betrug und unfähige Politiker und Krieg und Spionage und all diese Themen, die uns tagtäglich so um die Ohren gehauen werden. So, und da stehen dann aber Kommentare wie: Die Alte nervt. Das ist ja alles nur Mittelmaß. Dumme Plattitüden. Wieso gibt man der eine Plattform. Und so weiter.
Hallo, geht’s noch. Den ganzen Vormittag schon rege ich mich darüber auf und war kurz davor, selbst einen Kommentar zu posten. Konnte ich dann nicht, weil die kleine Madame lautstark nach einem zweiten Frühstück verlangte. Die Pause tat gut. Denn jetzt habe ich mal nachgedacht. Was soll das alles? Wieso lese ich eigentlich den ganzen Quatsch? Wieso interessiert mich die Meinung irgendwelcher wildfremder Menschen? Ich hab doch meine eigene. Und gut ist.
Diese ganze digitale Welt fängt an mich zu nerven. Sie ist gut. Denn sie verbindet uns. Sie macht es möglich, dass ich dieses Blog führe und dass es tatsächlich Menschen gibt, die das auch lesen, was ich schreibe. Sie schenkt uns vieles. Und gleichzeitig nimmt sie uns alles. Sie nimmt uns den Atem zum Leben, denn wir hängen an ihrem Tropf. Ohne es zu merken, wohlgemerkt. Wir checken unablässig Mails und Nachrichten und wehe, einer antwortet nicht innerhalb von Minuten, denn wir sehen ja genau, dass er unsere Nachricht gelesen hat.
Wir regen uns über die Dummheit anderer Leute auf, die nichts anderes zu tun haben, als den ganzen Tag Kommentare zu posten oder Bewertungen auf irgendwelchen Plattformen abzugeben, für Produkte die keinen Menschen interessieren. Warum tun die das? Weil jeder sich damit wichtiger fühlen kann als er ist? Weil man endlich mal sagen darf, was man denkt, und zwar öffentlich? Dann aber unter einem Pseudonym, damit wiederum keiner erkennt, wer wir wirklich sind? Und obwohl das dann auch keinen Menschen interessiert? Und gleichzeitig können wir an nichts anderes mehr denken als an diese Kommentare und daran, wie bescheuert sie doch oftmals sind.
Ich überlege, wie viele Stunden ich schon mit meinem Smartphone und dem Tablet verbracht habe. Wie viele Stunden, die ich auch für etwas ganz anderes hätte verwenden können. Ohne Wertung, ob das „andere“ nun sinnvoll ist oder nicht. Ich denke daran, dass ich zu Weihnachten von zwei Freundinnen handgeschriebene (dass man das mittlerweile extra dazu sagen muss?) Karten bekommen habe, auf die ich immer noch nicht geantwortet habe. Dass ich endlich mal wieder ein Buch lesen könnte. Oder Menschen anrufen, statt einfach nur eine WhatsApp-Nachricht zu schicken.
Meine Tochter kommt und zupft mich sanft am Bein. Sie will mir sagen, dass sie ihren Mittagsschlaf machen will. Ich soll sie ins Bett bringen. Ich sitze da mit dem iPhone – nur mal schnell Facebook checken – und fluche. Ich habe nicht mal gemerkt, dass sie müde ist. Das muss aufhören. Ich will mein Leben wieder zurück. Sollen sie doch alle kommentieren und posten bis sie schwarz werden.
Ich starte mein Projekt „Digitales Detox“. Jetzt. Sofort.
3 comments
Da bin ich auch gerade dabei, also bei dem Versuch den ganzen hirnlosen Quatsch auszublenden. Das Problem ist nur: Sonst ist da nichts mehr… Klar, ich habe Bücher, ich habe die Gitarre, das Keyboard. Aber eben nur das und mich. Das ist zu wenig als Ersatz.
Liebe Petra, da sprichst du mir (und wahrscheinlich ganz vielen anderen) so aus der Seele … Digital Detoxing ist ein toller Vorsatz, aber: ich les einfach trotzdem zu gerne bei so vielen tollen Bloggern, Enthaltsamkeit halte ich höchstwahrscheinlich nicht lange durch ;-) Dir viel Erfolg – liebe Grüße von Doris
Hey Doris, ja ich halte das auch schwer durch, befürchte ich. Aber es kommt ja auf die Dosis an. Und darauf, wie sinnvoll das alles ist. Tolle Blogposts zu lesen ist ja etwas Angenehmes, das einen weiterbringt (im Idealfall zumindest). Aber so der andere Quatsch – irgendwelche sinnlosen Promiseiten, nichtige Nachrichten auf Facebook oder eben diese Armada an hirnlosen Kommentaren – deren Konsum will ich jetzt mal eindämmen. Mal schauen ob es klappt :-) Liebe Grüße!