Heute Morgen habe ich etwas erlebt, das ich so noch nie hatte. Einer dieser Momente, die besonders sind und die du dein Lebtag nicht vergisst. Dabei ging es nur um eine kleine Geste. Aber am Ende stand ich bei unserem Bäcker ums Eck und heulte. Vor Überraschung und Rührung. Und vor Glück.
Aber der Reihe nach.
Alles fing damit an, dass gestern einer dieser Tage zum Vergessen war. Ganz okay gestartet, verwandelte er sich spätestens um die Mittagszeit in einen Alptraum-Tag. Dann nämlich als ich eine halbe Tasse Kaffee über mein zwei Monate altes Macbook kippte. Den Rest des Tages verbrachte ich damit herauszufinden, wie schlimm das sein könnte, wer mir das schnellstmöglich repariert und was das kostet (viel, soviel sei gesagt). Und ich verfiel in diese Schockstarre, die man immer dann erlebt, wenn etwas über einen hereinbricht.
Sicher, es ist nur ein Computer und niemand ist wirklich zu Schaden gekommen, ist krank oder hat sich verletzt – mit so etwas versuchte ich mich ja aufzumuntern während ich versuchte, den verhunzten Tag irgendwie zu einem Abschluss zu bringen. Ach, der war so zum Vergessen. Irgendwann begann es, in Strömen zu regnen, der Mann war auf Dienstreise und ich hatte nur die Hälfte meiner Arbeit geschafft. Abends um 11 hatte ich meinen alten Rechner soweit wiederhergestellt, dass ich zumindest mit ihm arbeiten konnte. (Habe ich erwähnt, dass die Reparatur mindestens eine Woche dauert?). Ich versuchte zumindest noch das Nötigste auf die Reihe zu bekommen. Nachtschicht: Hello here I am.
Zu viel Arbeit, zu wenig Schlaf
Am Morgen war ich dann eben genau so drauf wie man sich eben fühlt nach zu viel später Arbeit und viel zu wenig Schlaf. Müde. Zerknittert und irgendwie hohl im Kopf. Die Kinder wollten malen statt sich anzuziehen, draußen schüttete es, alles war auf Zeitlupe gepolt. Ich entschied, dass es das Frühstück beim Bäcker geben würde, ausnahmsweise mal. Auf dem Weg zu Krippe und Kindergarten war ein Stopp auf eine Butterbreze wegen der fortgeschrittenen Zeit gerade noch drin. Ein Frühstück mit dem ganzen liebevollen Pipapo von Honigbrot bis Obstteller, das es normalerweise gibt, eher nicht.
Also schnell ums Eck, rein in die Bäckerei, Butterbrezn geordert und einen doppelten Espresso mit dazu. Oh wie sehr ich mich freute auf einen kurzen, heißen, dunklen Shot voll Koffein. Die Freude währte so lange, bis ich in mein Portemonnaie blickte und mir siedend heiß einfiel, dass ich am Tag zuvor der Babysitterin das Geld gegeben hatte, das ich ihr noch vom letzten Mal schuldete. Ich hatte das letzte Geldstück zusammengekratzt, und deswegen befanden sich im Geldbeutel jetzt noch ziemlich genau 70 Cent. Und die Bäckersfrau sagte gut gelaunt: „Das macht 5,10 Euro bitte.“
Heute bin ich einfach nicht Ich selbst
Normalerweise, also in einem regulären Gemütszustand, wäre das jetzt kein Problem gewesen. Ich hätte rasch die Kids geschnappt, wär um die Ecke zum Bankautomaten geradelt und hätte frisches Geld abgehoben. Aber heute war’s eben anders. Ich war müde, todmüde, ich fühlte mich entsetzlich und wie gelähmt. Wie kann das denn passieren, dass jemand vergisst, dass er kein Geld mehr in der Tasche hat, bitte sehr? Hallo? Ich kenne mich mit solchen Aussetzern gar nicht.
Aber, man muss den Dingen ins Auge sehen, das passiert eben. Weil man als Mutter, als Vater, als Eltern, als Mensch, eben nicht immer reibungslos funktioniert. Weil sich der Kopf manchmal matschig anfühlt, so wie meiner heute. Weil man einfach so viele Dinge da drin hat, über die man nachzudenken hat. Weil es eben Tage gibt, an denen alles zu viel zu sein scheint und man sich fühlt, als müsse man die Last der Welt alleine auf den Schultern tragen.
Es gibt sie eben einfach, diese Tage, an denen man im Bäckerladen ums Eck steht und nach der Bestellung von zwei Butterbrezn und einem doppelten Espresso merkt, dass man kein Geld dabei hat.
Mit 70 Cent gewinnst du keinen Blumentopf. Aber du kannst wunderschöne Erfahrungen machen. Als ich da eben so stand mit meinen beiden Kindern und den Augenringen und dem eilig zusammengewurschtelten Haarknoten, etwas von einem „Scheißtag“ fluchte und hilflos zur Bäckerin sagte, ich müsse jetzt eben erst mal zur Bank gehen, da geschah etwas Wunderbares.
Manchmal passieren sie einfach so, die wunderbaren Momente des Alltags
Die Bäckerin meinte noch, hmm, das könnten wir ja auch anders regeln, da mischte sich die Frau hinter mir ein: „Wie viel Geld brauchen Sie denn?“ Ja, und sie meinte das ernst. Sie zahlte 5 Euro meiner Bäckersumme und die 10 Cent, die noch fehlten, die hatte sogar ich noch im Sack. Ich wollte das gar nicht, ich sagte zu ihr: „Oh, das ist aber überhaupt nicht nötig, ich springe schnell zur Bank.“ Aber sie sah mich an und guckte in meine müden Augen und meinte: „Wissen Sie, ich habe auch Kinder. Ich weiß, wie das manchmal ist.“ Und da begriff ich: Diese fremde Frau zahlte einfach mal 5 Euro für mich, einfach so, wie selbstverständlich. Ich war so platt, ich konnte gar nichts mehr sagen. Ich nahm schweigend die Brezn und den Espresso und meine Kinder, und wir setzten uns auf die Bank am Fenster.
Und dann kamen die Tränen. Tränen der Erschöpfung. Und Tränen der Freude. Alles gleichzeitig. Ich war so furchtbar gerührt. Von der Geste dieser Frau. Meine Kinder guckten mich mit großen Augen an und riefen: „Mama, was hast du denn?“ „Ach, wisst ihr“, sagte ich zu ihnen, „ich weine ja nur, weil ich mich so freue“. Ich stand in diesem Bäckerladen und mit uns zusammen mindestens fünf andere Leute und ich heulte einfach. Versuchte, mir die Tränen aus den Augenwinkeln zu wischen, denn eigentlich gibt es so etwas ja nicht: Tränen in der Öffentlichkeit. Sie alle sahen mich an und ich konnte sehen, dass sie verstanden.
Das Leben ist nicht immer nur ein zuckersüßes Törtchen
Das Leben ist manchmal so. Wir können nicht immer funktionieren. Manchmal reicht ein kleiner Funke aus und unser mühsam gezimmertes Alltags-Konstrukt bricht zusammen, zumindest für diesen Moment. Und dann weinen wir halt auch mal öffentlich, und wenn es nur aus Rührung und Dankbarkeit ist.
Ich gebe gern und viel. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich viel habe und andere nichts. Ich versuche, das niemals zu vergessen. Aber heute war das erste Mal, das jemand so etwas für MICH getan hat. Ich kann es immer noch kaum begreifen. Sicher, es waren „nur“ 5 Euro. Aber diese 5 Euro haben etwas unglaublich Schönes bewirkt. Sie haben mir gezeigt, dass es Menschen gibt, die aufeinander aufpassen. Die einander verstehen. Die sich helfen und gegenseitig unterstützen.
Ich konnte nichts anderes tun als „Danke“ zu sagen. Ich bot ihr an, mir ihre Telefonnummer, ihre E-Mail-Adresse zu geben. Damit ich mich wenigstens mit einem Kaffee oder einem Blümchen revanchieren kann. Aber für sie war es okay, wie es ist. Und für mich war es diese kleine Geste, die mich wieder zurück auf die Spur gebracht hat, damit ich den Tag wieder angehen konnte, mit all seinen Herausforderungen. Den großen und den kleinen. Eine Geste wie ein unausgesprochener Code: Wir Frauen, wir Mütter halten zusammen.
Danke.
Bleibt mir nur nochmals zu sagen. DANKE, liebe fremde, unbekannte Frau beim Bäcker. Nicht nur für die 5 Euro. Sondern dafür, dass du mir gezeigt hast, dass es Menschen gibt, die gerne helfen. Einfach weil es selbstverständlich ist. Denn genau das ist überhaupt nicht selbstverständlich.
2 comments
Was für ein zauberhafter Text über einen zauberhaften Moment. Danke auch von meiner Stelle an die unbekannte Frau beim Bäcker! Einfach, weil wir Mütter zusammenhalten sollten!! Ich kenne diese Chaostage selbst so gut, als kleiner Schussel und bekennender Dauer-Bargeldloser (weil der nächste Automat sowieso immer viel zu weit weg ist ;)
Danke liebe Krümelkarma! Es ist so tröstlich zu wissen, dass man nicht allein ist :)