Es gibt diese Tage, die wir für immer im Herzen behalten. Weil sie besonders sind. Der Tag der Geburt unserer Kinder ist vermutlich der Wichtigste darunter. Aber da gibt es noch so vieles mehr. Vielleicht den Tag, an dem dein Kind den ersten Schritt gemacht hat. Oder der erste Schultag. Vielleicht sogar der Tag, an dem sie für immer das heimische Nest verlassen. Und an dem du sprachlos zurückbleibst, weil dir bewusst wird, wie viel du ab jetzt vermissen wirst.
Jeder hat diese Herzenstage. Für mich sind es auch diejenigen, die mich in der Schwangerschaft begleitet haben. Dieser ominöse „ET“, den man immer so vor sich herträgt. Bis dann am Ende das Kind sich meistens doch einen anderen Tag aussucht, um auf die Welt zu kommen.
Für ein Buchprojekt habe ich vor einiger Zeit über meinen besonderen Tag im Jahr 2014 geschrieben (Und wie krass, dass das jetzt schon wieder 6 Jahre her ist. Ernsthaft?!)
Ich wollte diesen Text einen Tag schenken, der gegenüber dem eigentlichen Tag der Geburt dann plötzlich hintenan stehen muss. Und der mich doch fast das ganze Jahr über begleitet hat. Daher gibt es hier heute einen etwas anderen Geburtsbericht. Sondern eine Liebeserklärung an einen Tag, der so viel mehr ist als eine Nummer in einem Formular.
17. November 2014. Meine Geschichte. Unsere Geschichte.
Das also ist er. Der Tag, der seit Monaten in meinem Kalender prangt. Ein großes Herz habe ich darum gemalt, klingt kitschig, aber mir war so sehr danach. Seit langer Zeit steht er schon in Formularen und wurde in irgendwelche Computersysteme eingetippt. Und, vor allem: Er ist meinem Herzen festgetackert.
Seit jenem Tag im März, als da dieser blasse blaue Streifen war, von dem ich mir gar nicht sicher war, ob er wirklich existierte. Ich hielt den schmalen Plastikstick mal hier hin, mal dorthin. Ja, da war eine Linie. Ganz schwach. Und es war klar, dass dieses Jahr ein besonderes wird. Und meine Beziehung zum 17. November 2014 begann.
Zwei Wochen später stand der Tag in dem kleinen Büchlein, dem Mutterpass, in dem fortan alle Daten, alle Untersuchungen eingetragen wurden. Ich schaute nach. Ein Montag. Kein besonderer Tag für die Welt. Aber für mich, für uns, einer, den wir ab diesem Zeitpunkt erwarteten. Der für uns zum Fixpunkt wurde. An diesem Tag also sollte unser Kind auf die Welt kommen.
Natürlich ist es so, dass nur wenige Kinder tatsächlich am errechneten Termin geboren werden. Trotzdem. Man braucht so ein Datum. Nicht nur für die Formulare. Sondern auch fürs Herz. November also. Allerheiligen. Volkstrauertag. Der November ist ein Monat, an dem wir viel an die Toten denken. Und ich werde Leben schenken. Eigentlich ein schöner Gedanke.
Nun ist er da, der 17. November 2014. Ich sitze zuhause auf der Couch. Und neben mir liegt ein kleines Bündel mit Doppelkinn und zerknautschter Nase. Eine Woche ist er nun alt. Er hat sich natürlich nicht an den Fahrplan gehalten. Aus dem 17. November hat er den 10. gemacht. Ein Montag. Ein guter Tag.
Und heute, eine Woche später, da sind wir schon mitten drin, uns kennenzulernen.
Der Tag ist grau, kurz blinzelt die Sonne zwischen den Nebelwolken hervor, um dann ganz schnell wieder zu verschwinden. Novembertage. Wir haben uns eingeigelt, wie man das so macht in der Wochenbettzeit. Nach einer Woche merke ich, wie so langsam die Kräfte wieder kommen. Bei 100 Prozent bin ich noch lange nicht. Es ist unfassbar, was ein Körper alles leisten kann, denke ich mir. Welche Schmerzen man auf sich nimmt, welche Einschränkungen. Während der Schwangerschaft. Bei der Geburt. Danach.
Mein Mann kocht Pasta und Kürbissuppe. Als ich den Fernseher kurz anschalte, läuft ein Trailer für eine Spendenaktion. Ist ja bald Weihnachten. Sie zeigen ein taubes Kind in Sambia, ein kleines Mädchen, vier Jahre alt. Es wird niemals hören können. Niemals lernen zu kommunizieren. Ich muss weinen. Manchmal bedrückt es mich, wie gut es uns geht.
Ich schaue auf mein Baby. So winzig ist er noch. Und ich weiß, wie schnell diese zauberhafte Zeit vergehen wird. Kinder zu haben bedeutet auch, dass man in einem Zeitraffer lebt, dessen Tempo einem manchmal den Atem raubt. Ich fasse seine kleine Hand und drücke sie ganz sanft.
Der 17. November 2014 ist ein ganz besonderer Tag. Wie alle weiteren, die nun folgen werden.
Mehr zur Thema Baby? Dann lies doch mal mein Babytagebuch zu den ersten Monaten mit den beiden Jungs. Den (richtigen) Geburtsbericht mit Bub Nummer zwei gibt’s hier.